Kolumnen

Johannas Fest: Wichtigeres als Perfektion

Nach Monaten sozialer Fastenzeit erlebten wir vergangenes Wochenende ein regelrechtes soziales Schlemmen: Von Donnerstag bis Sonntag waren wir jeden Tag eingeladen. Einmal nur mein Mann und ich in der eleganten Innenstadtwohnung eines verwitweten Kunstsammlers und -mäzens. Am Freitag im erweiterten Familienkreis mit noch drei Erwachsenen und zwei Kindern. Den frühen Samstagnachmittag genossen wir zu neunt bei strahlendem Sonnenschein in einem der schönsten Heurigen in der Nähe Klosterneuburgs. Gleich groß war am Sonntag die Runde beim Grillen am Bauernhof im Waldviertel.

Was diese vier Einladungen gemeinsam hatten? Sie erfolgten ganz spontan und was auf den Tisch kam, war Nebensache. Der Kunstsammler reichte zu selbst gekochtem Marchfelder Solospargel Sauce Hollandaise aus der Tetrapackung. Die Verwandte bat eine halbe Stunde vor Beginn den Bruder ihres Lebenspartners samt dessen kleiner Tochter zum Essen dazu. Da der vorbereitete Braten nicht gereicht hätte, wurden auch die fürs Wochenend- Grillen vorgesehenen Einkäufe aus dem Eisschrank geholt: Würstchen und ein nicht unbedingt fürs Backrohr prädestiniertes Tomahawk-Steak. Am Samstag kam es zwar nicht zu Engpässen beim Essen, aber der Platz am größten Tisch des ausge- zeichneten Weinguts wurde knapp: Schließlich gesellte sich zu unserer sechsköpfigen Ausflugspartie unangemeldet noch der Nachbar unserer Freunde mit drei Kindern und seiner Mutter dazu.

Open House

Am nächsten Tag im Waldviertel wurde gar schon campiert: Im Hof war ein Zelt aufgespannt, in dem zwei Kinder geschlafen hatten. Alle – ob groß oder klein – legten Hand an die Kreation des Mittagsmahls von Herd und Grill, das ebenso bunt zusammengewürfelt war wie die Teller. Und ob Schlacht mit den Wasserpistolen, gemeinsames Activity-Spiel, oder Stecki-Werfen für unseren Hund Amy – immer war es lustig. Lustig wie die warmherzige Gastgeberin, die weiß: „Das mit Freunden geteilte Mahl schafft Identität und Gemeinschaft, gibt Halt und das Gefühl der Geborgenheit.“ Das ist im Unsicherheitszeitalter wichtiger als Haubenküche, gestärkte Tischtücher und glänzende silberne Kerzenleuchter!