Kolumnen

Wenn Dottore Amore von blutsaugenden Zecken träumt

Nach vierjähriger Suche sind der Dottore Amore und ich neuerdings Hausbesitzer. Seither schlafen wir beide schlecht. Das allerdings nicht, weil wir nun ordentlich verschuldet sind und noch enger aneinander gebunden als durch Ehering und Kind im Bauch. Nein, wenn man sich nach vier Jahren Suche auf dem freien Immobilienmarkt noch immer mag, dann steht die Liebe auf gutem Fundament.

Beim Einschlafen grüble ich vielmehr darüber, wie ich, obwohl ich nun bis an mein Lebensende in Wien wohnhaft sein werde, meine niederösterreichische Identität behalten kann. Ich brauche eine drei Erwachsene fassende Gefriertruhe und einen Kärcher. Die Nachbarn plane ich zu begrüßen, wie man das bei mir zu Hause macht: „Servas, magst einen Spritzer?“ Schuhe werden vor Betreten der Wohnräume ausgezogen, und ich mache alle, die uns besuchen kommen, darauf aufmerksam, sich gegen FSME impfen zu lassen – wir wohnen schließlich nicht weit vom Waldrand.

Genau deshalb kann wiederum mein Mann nicht schlafen. „WAS? HIER gibt’s Zecken?“, fragte mich mein in den Straßen von Mariahilf aufgewachsener Stadtbub. Sein Antlitz zierte das reinste Entsetzen. Ich war auch entsetzt: darüber, dass er noch nie einen Zeck hatte. Als Kind beendete die Zeckenkontrolle jeden meiner Tage im Freien. „Wenn dich das erste Mal einer sticht, wirst du sehen, dass das nicht so schlimm ist. Zecken hast du im Nu draußen, und sollte er dir an die Kronjuwelen gehen, hol ich ihn sofort raus.“ Dass Zecken warme geschützte Hautfalten bevorzugen, hätte ich meinem Liebsten nicht erzählen sollen. Seither wälzt er sich nachts und träumt von blutsaugenden Spinnentieren zwischen seinen Beinen.

Paradoxerweise beruhigt mich das, denn eine meiner niederösterreichischen Landkinderfähigkeiten werde ich somit immer ausleben können: ruhig wie fachfräulich Zecken suchen und entfernen.

vea.kaiser@kurier.at

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