Der Hund verweigert die Maßnahmen
Von Birgit Braunrath
Sieben Monate lang hatten Frau Hund und ich ein gedeihliches Miteinander-Auskommen. Ich gab ihr die größtmögliche Freiheit, sie hielt sich an die allernötigsten Einschränkungen.
Darias letzter Ausbruch zu Beginn des Ost-Lockdowns war fast vergessen. Damals ließ sie mich sechs Stunden im Schneegestöber warten, um schließlich, höflich wedelnd, zurückzukehren, als wär’ sie nur kurz hinterm Busch gewesen.
Durchgefroren bis auf die Knochen nahm ich ihr das damals sehr übel und beschloss innerlich, dass dies mit hoher Gewissheit der letzte Freigang der alten Dame gewesen sein musste. Das Zusammentreffen von Lockdownbeginn und Ausbruch hielt ich damals für Zufall.
Erniedrigend für Frau Frauerl
Aber es gibt keine Zufälle. Schon gar nicht mit einem schlauen Beagle, der regelmäßig die Nachrichten hört sowie den Kalender und die Uhr zu kennen scheint. Pünktlich zu Beginn des neuerlichen Lockdowns ließ Daria mich erneut in der Gegend stehen. Diesmal kam zwar kein Schneegestöber, aber die Sonne, deretwegen ich nur eine leichte Jacke trug, ging gnadenlos unter. Und dann wurde es finster und sehr, sehr kalt.
Besonders erniedrigend war diesmal die Tatsache, dass Daria kreuz und quer durch die Weingärten lief und ich sie von der Anhöhe aus, auf der sie abgehaut war, immer wieder sehen konnte. Einmal schnitt ich ihr listig den Weg ab, sie kam auf etwa 25 Meter in meine Nähe, ich brüllte wie von Sinnen, um sie aus ihrer Fährtenkonzentration zu reißen, sie hob tatsächlich kurz den Kopf, und ich bildete mir ein, Erstaunen in ihrem Blick zu lesen: „Du? Auch? Hier?“ Dann senkte sie mit einem „Sorry, muss weiter“ wieder die Schnauze Richtung Fährte und ließ mich einfach stehen. Ich brüllte noch lauter, sie stellte sich taub, und zwei vorbeikommende Spaziergänger berieten hinter vorgehaltener Hand, ob sie angesichts meines Auftritts zuerst die Polizei oder die Psychiatrie verständigen sollten.
Noch erniedrigender für mich dann das Ende von Darias Lockdown-Boykott: Ihr heiß geliebter Herr Herrl ließ bei meinem Notruf alles liegen und stehen, spielte Sondereinsatzkommando, wanderte uns hinterher, pfiff zwei, drei Mal seinen unverwechselbaren Pfiff. – Und Daria kam. Ich überlege immer noch, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll.