Mitten ins Herz
Die Spezies Mensch liefert gerade ein unwürdiges Schauspiel. Wenn angesichts einer Bedrohung von außen Zusammenhalt überlebenswichtig wäre, liefert man sich Grabenkämpfe, gibt einander Hass statt Halt, verschließt Hirne und Hörorgane. Wer die Ohren für andere verschließt, verschließt automatisch auch das Herz. Dann bleibt als Zuflucht nur noch die Gruppe gleichgesinnter Geisterfahrer, der man sich anschließt, weil man überzeugt ist, man könne gemeinsam die Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen. So verursachen dann einige wenige Totalschäden, von denen alle betroffen sind.
Ganz anders die Spezies Daria. Ich beobachte sie noch genauer als sonst in dieser scharfen Zeit, in der Leser, die etwas missverstehen, nicht mehr nachfragen, sondern lieber „halt’s maul, du dumme schl***e“ schreiben. Daria ist mein Seismograf. Sie ist hellwach und verschließt weder Hörsinn noch Herz, sondern sperrt ihre Ohren weit auf.
Ordnungsruf und Dariablick
Wenn mir unterwegs etwa Beschimpfung durch Passanten am Rande ihrer Nerven (sind wir Menschen das nicht alle derzeit?) droht, warnt Daria mich. Irgendwie spürt die Hundefrau, was die Menschenfrau nicht rechtzeitig wahrnimmt: Dass der entgegenkommende Mann, die entgegenkommende Frau mich jeden Moment verbal attackieren wird, weil ich mir zu viel Gehsteig nehme, weil ich Maske trage, weil ich keine Maske trage, weil, weil, weil ... derzeit einfach Blitzableiter gesucht (und gefunden) werden.
Daria stellt unmittelbar vor solchen Begegnungen die Nackenhaare auf und verlangsamt ihren Gang, ich weiß dann, dass wir besser die Straßenseite wechseln und freundlich nicken.
Auch daheim sind all ihre Sensoren weit offen. Kaum sprechen wir Menschen miteinander eine Nuance lauter, fiept sie, um uns zu Ruhe und Zusammenhalt zu mahnen. Werden wir noch lauter, bellt sie uns an, kurz und scharf, um klarzumachen, dass jetzt nicht die Zeit für sinnlose Auseinandersetzungen ist.
Und Hand aufs Herz: Wer würde nicht einlenken, wenn die schlappohrige Hauschefin einen mit mahnenden Augen aus vollem Herzen liebevoll anschaut. „Sie ist schon die Süßeste“, seufzt da der Mann. Und ich bin ausnahmsweise nicht eifersüchtig. „Und die Beste“, ergänze ich.
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