Hund im Weltkulturerbe
Von Birgit Braunrath
Waren Sie je in Hallstatt? Daria mittlerweile schon. Seit vorigem Sommer höre ich ununterbrochen von Freunden: „Wir waren in Hallstatt!“ / „Wenn etwas in Österreich so toll ist, dass es die Chinesen nachbauen, sollte man es als Österreicher gesehen haben.“ / „Jetzt muss man die Chance nützen, jetzt ist das Weltkulturerbe touristenleer.“
Also dachte ich: „Dann muss es wohl auch der Hund einmal gesehen haben“, packte Daria am saukalten, verregneten Mittwoch ins Auto und fuhr mit ihr von unserer herbstlichen Sommerfrische im Ausseerland über die Grenze nach Oberösterreich, um ihr Hallstatt zu zeigen.
Gleich vorweg: Leer war dort gar nichts. Außer vielleicht ... die Blicke mancher Reisender, die zwischen Baukränen und Fastfoodständen die unvergleichliche Schönheit des Ortes suchten.
Daria und ich schlängelten uns durch in Richtung Marktplatz, bis wir endlich hörten, wie ein Reiseführer seiner Gruppe zurief: „Und jetzt kommen wir auf den berühmten Platz, den unsere Freunde aus dem Land des Lächelns kopiert und bei sich daheim aufgebaut haben.“
„Vielleicht bauen sie dich nach“
Als wir den Platz betraten, beobachtete ich etwas Seltsames. Er war voller Menschen, die ihn gar nicht anschauten. Eine Schulklasse stritt mit ihrer Lehrerin. Eine Pensionistengruppe wurde sich übers Mittagessen nicht einig. Eine Radlerkohorte kramte nach Regenbekleidung. Irgendwann rief eine Schülerin: „Schaut doch!“ – und meinte Daria. Alle blickten plötzlich in Darias Richtung, der Streit mit der Lehrerin war vergessen. Es wurde gestreichelt, fotografiert, gepostet und „Mah, süß!“ gerufen. Zum Glück kam nach einiger Zeit ein Mops des Weges und zog einen Teil der Aufmerksamkeit auf sich. Wir durften gehen. Stolz sagte ich zu Daria: Wenn du auf dem weltberühmtesten Platz von Österreich mehr fotografiert und bewundert wirst, als der Platz selbst, dann hast du’s geschafft. Vielleicht bauen dich die Chinesen nach.
Sie fand das nicht lustig und hatte genug gesehen. Also fuhren wir zurück ins Ausseerland. Am nächsten Tag kam die Sonne heraus und wir wanderten. Ich fotografierte Herbstblumen in allen Farben, Daria trank aus jedem Baumstammbrunnen, und es war so schön, dass wir beschlossen, es für uns zu behalten und nicht den Chinesen zu verraten.