Das Dogma vom veganen Essen und vom gelben Schnee
Von Axel Halbhuber
Jede und jeder geht anders gegen den Winter vor. Die einen decken sich schon zu Herbstbeginn derart mit Vorräten ein, dass sie auch einen überraschend auftretenden Viermonatsschneesturm überstehen würden; andere gehen eisschwimmen, siehe oben. Manche zieht es ins Winterwonderland, andere nach Dubai.
Das empfinden manche dann als antipatriotischen Schnee-Schmäh-Akt; andere fragen sich, warum man mit Schuhwerk, das an Folterschrauben erinnert, freiwillig in kalte, nasse Berge fährt ... Man darf winters einfach kein Dogmatiker sein, oder wie Oscar Wilde geschrieben hat: „Nichts ist so aufreizend wie Gelassenheit.“
Die geht in der Küche gerade verloren: Dort ist ebenfalls für viele ein Winterfluchtort (manche entdecken ihren Herd erst wegen des Keksebackens), aber seit einiger Zeit tobt dort eine Schlacht um den anrollenden Veganismus. Als pazifistischer Radikalpragmatiker erlebe ich diese Schlacht nur von der Tribüne des Alltags, etwa wenn mein geliebter Vater (ein gernkochender, bodenständiger und doch aufgeschlossener 77-Jähriger) im Tonfall eines Exorzisten das Getue um veganes Essen als Blödsinn markiert. Natürlich könne man mal fleischlos essen, aber es müsse ja nicht gleich eine Ideologie sein.
Nicht alle essen vegan
Ähnlich beschrieb das eine mir bekannte Chefredakteurin vor einigen Jahren in der Streitschrift „Iss oder stirb (nicht)!“. Jüngst beklagte sie, dass fast nur mehr Veganrezepte gebracht würden und wies – nicht ganz zu Unrecht – darauf hin, dass nicht alle vegan essen.
Unterm Strich geht auch mit dem Veganen jede und jeder anders um. Viele bauen Einzelgerichte in ihren Speiseplan ein (Programmname „Flexitarier“, die essen zwar Fleisch, aber bedachter und nur nachhaltig produziertes). Sogar der Heiligste aller Abende kann vegan sein.
Ich selbst mag den Winter, ob mit Leberkäse oder Erbsenlaibchen. Und halte mich an das einzig wirklich bedeutsame Winterdogma: „Du sollst nie gelben Schnee essen.“