Chaos de Luxe: Leuchtfeuer der Vorfreude
Von Polly Adler
Das mit dem Alter(n) in Würde ist ein Hochleistungsakt. Aber es gibt Menschen, die ihn mit nonchalanter Noblesse beherrschen. Meine Freundin B absolvierte kürzlich einen Untersuchungsmarathon, den ein, wie sich herausstellen sollte, „gutmütiges“ Kopfgewächs provoziert hatte.
Der Arzt erklärte ihr, dass kein Grund zur Sorge bestünde und sie mit diesem Ding getrost 80 werden könnte. „Wie sehr mich das freuen soll“, erklärte sie ihm, „weiß ich noch nicht.“ – „Wieso?“ – „Weil ich in drei Wochen 80 werde.“ In ihrem naturbelassenen schönen Gesicht leuchtete noch immer das Mädchen, das sie einmal gewesen ist. Was auch damit zu tun hatte, dass sie sich mit vollem Karacho verliebt hatte.
In einen Jüngeren: Das Sujet ihres Glücks war erst 77 und so frech wie lustig. „Findest du nicht, dass er aussieht wie ein jugoslawischer Schlagersänger?“, kicherte sie. Der Journalist und Freund A hatte auch nach seinem Neunzigsten einen interkontinentalen Terminplan, der an die Tourdaten der „Rolling Stones“ gemahnte: drei Tage Buenos Aires, ein bisschen New York, Zwischenlandung in Wien und dann ab nach Jerusalem. Leider ist er inzwischen die ewige Abreise angetreten, aber fast bis zum Schluss wurde aus dem Vollen geschöpft. Und das ist auch schon das Geheimnis, auf das sich Altersforscher geeinigt haben: Man braucht Pläne.
Pläne wirken wie Leuchtfeuer der Vorfreude. Ein Freund meiner Eltern, Neunzig-sehr-plus, hat sich deswegen gleich zwei äußerst gut aussehende Pflegerinnen angelacht, die mehr in die Abteilung „Gesellschafterinnen“ fallen, und sich im Vierzehn-Tage-Rhythmus abwechseln: „Wenn die eine noch da ist, kann ich mich schon auf die andere vorfreuen.“ Madonna muss in der Disziplin „Cool Aging“ noch fest üben. Auf Insta posierte sie kürzlich überbotoxt mit ihrem 36 Jahre jüngeren Boyfriend. Das Szenario atmete Verzweiflung und bekam bei mir auf der nach oben offenen Mitleidsskala eine glatte 8.