Kolumnen

Elefanten im Föhrenwald

Wir Menschen treiben dieser Tage Elefanten durch den Wald, unsichtbare Elefanten, versteht sich ... Hätte ich diesen Satz vor einem Jahr geschrieben, wer weiß, wo ich gelandet wäre. Aber 2020 ist anders – das Jahr des Elefanten im österreichischen Horrorskop.

Und so ist es für Hundehalter selbstverständlich geworden, nur noch aus der Ferne zu grüßen. Für mich ist das eine Herausforderung. Mit Elefantenabstand erkenne ich nämlich nicht, wer vor mir steht, denn ich bin kurzsichtig und gehe meist ohne Brille in den Wald.

Daher habe ich mir eine Art Blindenhundtrick zurechtgelegt: Ich warte, bis der Hund, der zur herannahenden Person gehört, näher kommt, denn die Hunde haben vom Elefantenabstand noch nichts gehört und beschnuppern einander zur Begrüßung nach wie vor von vorn und hinten. Das gibt mir die Gelegenheit, zu erkennen, wer mir gegenübersteht. Ich erkenne die meisten Menschen tatsächlich an deren Hunden.

Bei manchen weiß ich den Eigennamen, dann rufe ich: „Hallo, Karina!“ (wenn etwa der süße, schwarze Jason auf Daria zurast). Bei anderen kenne ich nur den Hundenamen, dann rufe ich: „Hallo, wie geht es Debbie?“ Man hat so seine Tricks, um Schwachsichtigkeit und Gedächtnislücken zu verschleiern.

Wir tröten einander zu

Da ich nicht auch noch schlecht hören will, bediene ich mich bei der darauffolgenden Unterhaltung ebenfalls der Elefantenmethode. Ich tröte los. Karina trötet zurück. Und so verstehen wir uns, auch mit Elefantenabstand. Die Distanz, die wir dabei einhalten, ist seit März deutlich größer geworden. Entweder weil die Infektionszahlen größer geworden sind. Oder aber weil der Babyelefant vom März längst kein Baby mehr ist.

Daria und Jason sehen die Elefanten gar nicht. Sie haben nur Augen füreinander. Das ist interessant, weil Daria sonst vor entgegenkommenden Großtieren, wie Pferden, Eseln oder Lamas, Angst hat und rasch bei mir Schutz sucht, um hinter meiner Kniekehle halbstark hervor zu bellen. Nur die Elefanten sind ihr egal.

Die Rehe aber fürchten sich sehr wohl. Die sehen wir kaum noch im Föhrenwald, seit die Elefanten ihren Lebensraum erobert haben. Vielleicht liegt das aber weniger an den fiktiven Elefanten, als an unserer trötenden Unterhaltung.