Kolumnen

Paaradox: Alles mühsam?

SIE

Post von einem Leser an den Mann nebenan: Lieber Herr Hufnagl, hätten Sie lieber Trost oder darf ich Ihnen frei heraus mitteilen: Mit Ihnen möchte ich nicht einmal als Masochist tauschen müssen… Ich finde solche Zeilen interessant und inspirierend, zumal es bei Baudelaire heißt: Liebe – ein Verbrechen, das einen Komplizen erfordert. Daher auf zu neuen Taten: Wie kann ich Bösewichtin den Hufnagl noch mehr nerven, quälen und ihm das Leben vermiesen?

Im Ausheck-Eck

Dafür habe ich mir ein eigenes Ausheck-Eck im Arbeitszimmer eingerichtet, in das ich mich zurückziehe, um an perfiden Ideen zu arbeiten. Ich sitze auf meinem Meditationskissen und visualisiere diverse Alltagsqualen für den Ehemann, die ich in ein Notizbuch eintrage, auf dem steht: Die Liebe, welch lieblicher Dunst. Doch in der Ehe, da steckt die Kunst (Theodor Storm). Was da schon alles drinsteht! Ich habe noch viel vor. Ein Stromausfall exakt am Höhepunkt eines sehr wichtigen Fußballmatchs. Extraviele und große Paradeiserstücke im Sugo, komprimiert auf seinem Teller. Vegane Grillwochen. Free-Jazz zum Frühstück oder „Best-of-Schlagerparade“ als Musikuntermalung auf der gemeinsamen Fahrt in den Urlaub (dazu singe ich). Ein Kuss, nachdem ich mir zuvor eine fette Schicht Honigmaske ins Gesicht geklatscht habe (er hasst alles, was klebt). Ihn während einer wichtigen Sitzung zehn WhatsApp-Nachrichten anschreiben – mit subtilen Botschaften: Wird’s heute wieder so spät wie gestern? Arbeitest du noch oder chillst du schon beim weißen Spritzer? Dazu täglich ein Füllhorn an Forderungen: Rasier dich! Kraul mich! Schnarch nicht! Sag was! Sag nix! Mach was! Jammer nicht! Sie sehen: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – welch Gnade, glücklich verheiratet zu sein.

HERBSTTERMINE: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 24. 10. Rabenhof; 6.11. Hagenbrunn; 14.11. St. Pölten; 19. 11. Langenlois

E-mail: gabriele.kuhn@kurier.at

Fabebook: GabrieleKuhn60

ER

Meine Antwort an den Leser, der mir Trost angeboten hatte, lautete übrigens: Ich weiß nicht, worauf Sie sich mit Ihrem Befund beziehen. Was ich aber weiß: Ich möchte so oder so mit niemandem tauschen, weil ich ein glückliches und erfülltes Leben führe. Wünsche Ihnen ein ebensolches. Dennoch brachten mich die Zeilen ins Grübeln. Könnte es tatsächlich sein, dass die Paaradox-Kolumnen, die gnä Kuhn und ich seit acht Jahren verfassen, das wöchentliche Indiz für ein quälendes Miteinander sind? Ist die Idee, viele kleine Alltagstücken ironisch-opulent darzustellen, womöglich nicht überzeichnet genug formuliert? Vielleicht sollte ich öfter schildern, wie wir harmonisch philosophierend durch den Wald gehen, harmonisch ergriffen die Serie „This Is Us“ anschauen, harmonisch genussvoll Spaghetti essen. Und. Und. Und. Das wäre leicht. Aber fad. Zumal ich überzeugt bin, dass wir jedes eheliche Unglück nur deshalb humorvoll betrachten können, weil es auf Glück basiert.

Therapeutische Maßnahme

In diesem Sinne betrachte ich es daher als echte Lebensleistung, die  Eigenheiten meiner Frau mehr denn je mit Amusement zu betrachten. Ich gestehe aber, dass die Transformation von der Beobachtung zum Text manchmal therapeutische Züge besitzt. Ich schreibe, also verarbeite ich. Dass sie Sätze sagt wie Jössas, worüber du dich aufregen kannst oder Im Schlafzimmer sitzt diesmal wirklich eine Monsterspinne. Und Sätze nicht sagt wie Gut, dass du mein Lieblingsbrot mitgebracht hast oder Teelichter haben wir genug. Dass sie Dinge tut wie: dem Computer beim Updaten zuschauen oder Melanzani auf den Grill legen. Und Dinge nicht tut wie: Wegen Fußball auf die ZiB2 verzichten oder die letzte Nudel auf dem Teller essen. Aber wenn sie wie aus heiterem Himmel Ja, da hast du recht sagt oder mein Geschirrspüler-Arrangement unangetastet lässt, lächle ich und denke mir: Ach, wie schön. Und: Die nächste Kolumne kommt bestimmt.

Email: michael.hufnagl@kurier.at

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