Welttag: Kinder und Jugendliche brauchen Theater in 3D und live
Von Heinz Wagner
Am 20. März ist der Welttag des Theaters für junges Publikum (seit 2001). Ins Leben gerufen hat ihn der internationale Dachverband von Kinder- und Jugendtheatern ASSITEJ (Association Internationale du Théâtre pour l'Enfance et la Jeunesse), der in rund 80 Ländern vertreten ist. „Gerade jetzt, in der Pandemie, wird sichtbar, wie dringlich es ist, für jedes Kind die gleichen Chancen und Teilhabemöglichkeiten zu schaffen. Das betrifft Kunst und Kultur ebenso wie andere Bereiche der Bildung“, heißt es unter anderem in einem aktuellen Manifest des Weltverbandes.
Zwei heimische Kinder und Jugendtheater haben sich schon im Vorfeld des 20. März zu Wort gemeldet. „Kinder brauchen Töne und Farben in allen Schattierungen, sie brauchen Berührungen mit Musik und Tanz“, meint etwa die künstlerische Leiterin des Toihauses in Salzburg, Cornelia Böhnisch. Alle, insbesondere Jugendliche brauchen Räume für Utopien, sagte der Leiter des Grazer Jugendtheaters Next Liberty anlässlich des Welttages.
Nicht erlaubt trotz umfangreicher Sicherheitskonzepte
Kinder – einzeln oder in Gruppen - dürfen wegen der Lockdowns seit mehr als einem Jahr nicht mehr ins Theater kommen. Dies ist besonders bedauernswert, denn dadurch geht vielen Kindern der Erstkontakt zum Theater verloren. Und möglicherweise der Zugang zum Theater überhaupt, wenn die Eltern nicht kulturaffin sind. Am Toihaus Theater wäre unlängst das dreiwöchige internationale Festival für Klein(st)kinder „BimBam“ zu Ende gegangen. Wegen des Lockdowns musste das Festival – noch dazu knapp davor - abgesagt werden. Wann wieder gespielt werden darf, ist nach wie vor unklar.
Das Toihaus hat sein Spielkonzepte so angepasst, dass sie bestmöglichst auch mit Corona-Schutzmaßnahmen stattfinden können. So werden Zuschauerräume in der Stückentwicklung mitgedacht und auch „Privatvorstellungen“ für einzelne bestehende Gruppen wären möglich - sobald Veranstaltungen wieder stattfinden können …
Streaming bringt’s nicht
Vorstellungen für Klein(st)kinder online zu streamen, halten die Theatermacherinnen nicht für sinnvoll: „Kinder brauchen zur Entwicklung mehr als harte, klare Informationen und Lernstoff. Sie brauchen Töne und Farben in allen Schattierungen, sie brauchen Berührungen mit Musik und Tanz“, stellt Cornelia Böhnisch fest. Theater ist ein Rückzugsort für Reflexion, ein Ausprobieren von Gedanken und Gefühlen, ein Kitzel der Spiegelneuronen …
Als weiteren „Mehrwert“ von Theater nennt sie: „Üblicherweise gehe ich oft auch ins Theater, damit ich wenigstens für eine Stunde das Handy ausschalten muss. Diese Zeit geht uns verloren, die kreative Zeit mit mir selbst und mit den Kindern, mit denen ich ins Theater gehe, das neu Kennenlernen des eigenen Kindes in einer aus dem Alltag herausgelösten Situation“.
„Theater für die Jüngsten ist immer ein direkter Dialog, gefühlt wie ein persönliches Gespräch. Das ist wertvoll für uns Künstler*innen, dazu fühlen wir uns verpflichtet“, so Katharina Schrott, Co-Leiterin des Toihaus Theaters und künstlerische Leiterin des „BimBam“ Festivals.
Baustellenkatze sucht Ideen von Kindern für ein Kinder-Pop-Rock-Konzert
Um den Kontakt zu den Jüngsten aufrecht zu erhalten, ruft das Toihaus Kinder auf, Beiträge mit Zukunftsvisionen und Verbesserungsideen für die Zukunft einzusenden: Texte, Gedichtzeilen, Songs, Zeichnungen oder was immer … Dafür hat symbolisch eine „Baustellenkatze“ ein offenes Ohr. Aus diesen Beiträgen von Kindern soll Material für ein Popkonzert für Kinder ab einem Jahr mit dem IndiePop-Musiker Ben Lageder aka Magic Delphin gewonnen werden. Das Konzert mit Magic Dephin und Band (Regie Cornelia Böhnisch), wird im Herbst 2021 im Rockhaus Salzburg über die Bühne gehen.
Alle brauen Räume für Utopien
„Wir alle brauchen Räume für Utopien“, erinnert zum Welttag des Kinder- und Jugendtheaters der Intendant des Grazer „Next Liberty“, Michael. Durch den 20. März will die Sparte darstellende Kunst für junges Publikum „nicht nur das (Kinder-)Recht auf Teilhabe an Kunst und Kultur sicht- und erlebbar machen, sondern auch die gesellschafts- und demokratiepolitische Bedeutung dieses Mediums“
Dieses Grazer Jugendtheater ist, so sein künstlerischer Leiter, „ein Ort der Nähe und Begegnung, der Auseinander- und Umsetzung und bietet einen dialogischen Raum, um Fragen zu stellen und offen mit den An- und Herausforderungen der Zeit umzugehen. In all unseren Produktionen, theaterpädagogischen und partizipativen Programmen und Workshops werden Themen wie Demokratie, Freiheit, Autonomie, Einsamkeit, Freundschaft und Solidarität be- und verhandelt, wird selbstbestimmtes Mitdenken und -gestalten unterstützt und gelebt.
Wir alle brauchen Räume für Utopien. Das Next Liberty ist so ein Raum – nicht nur, aber vor allem für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Analog und digital. Theater macht deutlich: Wir brauchen einander. Wir brauchen ein Gegenüber, ein Du, einen/eine (An-)Spielpartner*in.
Nehmen (und haben) wir gemeinsam teil, ganz gleich, ob wir mitmachen oder zuschauen.“
Manifest
In dem schon oben genannten Manifest der ASSITEJ heißt es unter anderem weiter: „Kunst und Kultur ermöglichen es uns, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen unsere Phantasie zu nutzen, um eine Welt zu schaffen, in der wir gemeinsam besser leben. Die Künste sind aktuell besonders verletzlich, da sie wirtschaftlich stark von der Krise betroffen sind. Die Künste sind nicht nur zentrale Ausdrucksform des menschlichen Seins, sondern auch Ort der kritischen Reflexion und Grundlage für ein gesundes soziales Miteinander. Kinder und Jugendliche haben das Recht, auch und gerade in Krisenzeiten, Zugang zu Kunst und Kultur zu erhalten und daran teilzuhaben.“