Turnsaal wurde tagelang Marktplatz
Von Heinz Wagner
Viel Bewegung wenngleich nicht sportlicher Natur herrschte drei Tage lang in der Woche vor den Osterferien im Turnsaal der Handelsakademie in der Mödlinger Maria-Theresien-Gase. Die Hälfte des Indoor-Sportplatzes samt kleiner Kletterwand wurde zum Marktplatz – für Kinder verschiedener Volksschulen, in der anderen Hälfte gab es einen Einführungs-Power-Point-Vortrag.
Beim Lokalaugenschein des Kinder-KURIER betätigen sich gerader Theodora und Cianna als Verkäuferinnen der Firma „Brilliant“. Mohamed hält sein Spielgeld bereit und wählt unter den abgebildeten Brillen-Modellen. „Ich nehm die, die mir am besten gefällt“, begründet er kurz seine Auswahl. Der nächste Käufer ist Leopold, er zahlt gleich für zwei Brillen, „sonst hab ich schon alles“, meint er und tauscht die Spielgeldscheine gegen kopierte schwarz-weiße Bildchen von Brillen.
Kaufen und verkaufen
Ob Brillen, Kuscheltiere, Hüte oder (Wasser-)Spielsachen – die realen Gegenstände liegen nur als Anschauungsobjekte auf den Verkaufstischen. Es geht darum, dass die Kinder im Laufe dieser rund eine Stunde dauernden Marktaktivitäten abwechselnd in die Rolle von Kaufenden und Verkaufenden schlüpfen. Manche der Käuferinnen und Käufer versuchen sich im (Ver-)handeln. Jonathan etwa bietet bei der Kuschel KG 20 Spiel-Euro und will dafür so viel Rabatt, dass er alle drei Kuscheltiere bekommt. Die Verkaufsseite ist auch nicht auf den Mund gefallen, das sei zu wenig, aber er könne 30 bezahlen und kriege dafür zu den dreien noch den kleinen kuscheligen Schlüsselanhänger. Gedealt.
140 Spiel-Euro hat jede und jeder anfangs bekommen, damit müssen die Kinder – in diesem Fall der Mödlinger Karl-Stingl-Volksschule, es kamen im Laufe der drei Tage aber auch Volksschulklassen aus Perchtoldsdorf und Vösendorf – bei ihren Einkäufen auskommen – und dementsprechend gerne rechnen. Rebekka und Nuno betätigen sich fast marktschreierisch als Verkäuferin und Verkäufer bei Hüten und Kappen mit dem leicht kryptischen Firmennamen H4TZ („weil der 4er ein bissl ausschaut wie ein A und für das in der Werbung oft verwendete Z für S bei englischen Begriffen“, so die Erfinder des Namens aus der HAK): „Hüte im Sonderangebot, weil der Sommer bald kommt!“
Verkaufen finden die beiden übrigens besser als kaufen, „weil man da mehr machen kann, das Angebot verändern, aber eigentlich ist es egal, es macht auch das Kaufen Spaß.“ Und sie finden als Hut-VerkäuferInnen auch gleich spontan eine Ausrede, als ein potenzieller Kunde meint: „Aber wo ist die Kappe, die da auf dem Bildschirm angezeigt wird?“ – „Die gibt’s nur auf Bestellung!“, kommt die schlagfertige Antwort.
HAK-Jugendliche
Die Schülerinnen und Schüler der 3. HAK-Klasse im Managementzweig der VBS, dieser privaten Handelsakademie und –schule des Fonds der Wiener Kaufmannschaft, (Vienna Business School), haben den Marktplatz und alle Materialien vorbereitet, im Fach Betriebswirtschaftliche Übungen, erzählen Sonja und Daniel. „Wir haben uns die ganze Arbeit aufgeteilt, ausgemacht, wer was mitbringt“, meint Klassensprecherin Sophie, die wir beim Spielzeugstand hinter der Kartenauswurfmaschine von UNO Extreme antreffen. Neben dem Stand steht Melanie und dreht die Seiten eines Rubik-Würfels, „das mach ich mit System“, verrät sie dem Reporter.
Sprach-Schnupperkurse
Nach dem Handelsspiel geht’s hinauf in Klassenräume, die Kinder tauchen in zwei Gruppen in die Fremdsprachen Italienisch und Französisch ein. Bilder aus den jeweiligen Ländern bzw. von für sie typischen Speisen finden sich auf Infotafeln und dazu zwei Arbeitsblätter. Auf ersterem sind die Begriffe den Fotos zuzuordnen, auf dem zweiten Blatt gilt es zunächst die Flagge des Landes zu malen und dann finden sich die Wörter vom ersten Blatt mit völlig durcheinander gebrachten Buchstaben – doch schnell finden im Italienisch-Kurs alle Kinder, dass ZIPAZ wohl PIZZA heißen müsste ;) Und wie unten am Marktplatz, so haben auch hier die Jugendlichen nicht nur alles vorbereitet, sondern sie betätigen sich auch als Coaches in den Kleingruppen.
Ausweitung auf Österreich
Die Aktion „Volksschule goes HAK“ will ein erstes spielerisches Eintauchen in einen Teil des Kreislaufes von Wirtschaft sein, den des Handels. Erfunden vor vier Jahren eher, um Nachwuchs für die eigene Schulform zu generieren, vermittelt nicht zuletzt eine kleine Broschüre mit leicht fasslichen Darstellungen wirtschaftlicher Zusammenhänge erste Einblicke in ökonomisches Wissen. Das in Mödling ausgedachte Projekt, initiiert von der Wirtschaftspädagogin Renate Rode, wird in diesem Schuljahr, dem Jahr der Übungsfirmen, vom Bildungsministerium über ACT, die Servicestelle für Übungsfirmen, allen österreichischen Handelsakademien ans Herz gelegt. Rückmeldungen, wo dies vielleicht schon erfolgt sei, habe sie allerdings noch keine bekommen, so die Initiatorin.
Es ist ein Versuch, Wirtschaftswissen schon möglichst früh in Schulen zu vermitteln. Wer weiß, vielleicht muss dann ja ein künftiger KURIER-Journalist nicht mehr eine Kollegin im Wirtschaftsressort fragen, ob eine Milliarde das mit den sieben Nullen sei, weil er wüsste, dass er da nur auf 10 statt 1000 Millionen käme ;)
Andere Elemente in späteren Schuljahren sind natürlich die verpflichtenden Übungsfirmen in den kaufmännischen Schulen oder die freiwilligen Junior-Companys auch in AHS-Klassen bzw. Ferienangebote wie die Kinder Business Week, vor allem aber Kinderstädte, wo Kinder wirklich in den Kreislauf von Wirtschaft und Politik – sie wählen ihre eigenen Regierungen – eintauchen – siehe Zusatzgeschichte.