Dikh He Na Bister! Schau und vergiss nicht!
Von Heinz Wagner
Allein in der sogenannten „Zigeuner“nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden 2.897 Roma – Männer, Frauen und Kinder – in den Gaskammern des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ermordet. Es dauerte mehr als 70 Jahre bis der Völkermord (Genozid) an einer halben Million Roma und Sinti durch das faschistische NS-Regime vom Europäischen Parlament anerkannt wurde. Seither wird am 2. August dieses Völkermords gedacht – in Wien am Ceija-Stojka-Platz.
Bilder mit und von der Künstlerin
Die vor fünfeinhalb Jahren verstorbene Künstlerin hatte als nur eine von sechs Mitgliedern ihrer 200-köpfigen Familie drei Konzentrationslager der Nazi überlebt. Sie war eine der ersten, die früh und öffentlich auf das Schicksal ihrer Volksgruppe aufmerksam gemacht hat – in Büchern, Bildern und vielen Workshops vor allem mit Jugendlichen – in mehr als zwei Jahrzehnten hatten mehr als 12.000 Schülerinnen und Schüler in Workshops mit ihr teilgenommen.
Einige in solchen Workshops entstandene Bilder Jugendlicher – und dazu vier Originale der Künstlerin selber – werden am Gedenktag im Hof der Pfarre neben dem Platz ausgestellt.
In Österreich ermordeten die Nationalsozialisten 90 % der Roma und Sinti. Bis heute ist das Trauma bei den Überlebenden und den Nachfahren der Opfer vorhanden und wirksam. Ein Genozid der lange verschwiegen und vergessen wurde und heute aktueller ist denn je.
Romano Centro organisiert in Kooperation mit der Roma Genocide Remembrance Initiative und zentrumexil zum vierten Mal die Gedenkveranstaltung zum 2. August, die von der Stadt Wien, dem 7. Bezirk und der Pfarre Altlerchenfeld unterstützt wird.
Bei der Gedenkveranstaltung kommen Angehörige von Opfern und junge Aktivist_innen zu Wort. Da es in Wien für diese Opfergruppe noch keinen eigenen Gedenkort, kein Denkmal gibt, wurde der nach der Holocaust-Überlebenden Romni Ceija Stojka benannte Platz in Wien-Neubau (7. Bezirk) dafür ausgewählt.
Unvereinbar mit den Werten der EU
In einer Resolution vom April 2015 wurde aufgerufen, die Diskriminierung von Roma zu beenden. Das Europäische Parlament fordert dazu auf, der Opfer des Völkermordes am 2. August – dem internationalen Roma Genocide Memorial Day – zu gedenken. Das EU-Parlament sei „sehr besorgt um den steigenden Antiziganismus, der sich in Anti-Roma-Rhetorik sowie in Übergriffen und Attacken gegen Roma in Europa manifestiert. Antiziganismus ist unvereinbar mit den Normen und Werten der Europäischen Union und sollte in allen Mitgliedsstaaten bekämpft werden.“
Ein Redner war Benjamin Hess, Präsident der Jüdischen Österreichischen Hochschüler_innen, merkte bei der Gedenkveranstaltung im Vorjahr an, dass bei Nennung der Zahl sechs Millionen die meisten wüssten, dass es sich um die von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden handelt, während die 500.000 getöteten Roma und Sinti leider noch immer meist nur eine Fußnote im Geschichtsunterricht seien. „Niemals vergessen!“ Dürfe nicht zu einer Worthülse verkommen, verlangte er.
Jugend
Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt der Veranstaltung wieder auf der Jugend-Gedenkarbeit. Daher werden neben Nuna Stojka (Schwiegertochter von Ceija Stojka) und Manuela Horvath (Enkelin von Holocaust-Überlebenden) auch Benjamin Hess (Präsident der Jüdisch Österreichischen HochschülerInnen), Lena Nanut (ÖH), Derai Al-Nuaimi (aus dem Vorsitz-Team der Bundesjugendvertretung) und junge Roma-Aktivist_innen bei der Veranstaltung sprechen. Der Völkermord und das Gedenken sollen einen höheren Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung bekommen. Dazu fordern die Organisatoren auch einen eigenen, zentralen Gedenkort in Wien.
Wann & wo?
2. August 2018, 18 bis 20 Uhr
1070 Wien, Ceija-Stojka-Platz
Es sprechen: Anna Babka (Bezirksvorstehung), Simona Anozie (Enkelin von Ceija Stojka), Nuna Stojka (Schwiegertochter Ceija Stojkas), Manuela Horvath (Roma-Pastorale Eisenstadt), Alexandru Spataru (Roma-Aktivist), Derai Al Nuaimi (Bundsjugenvertretung), Lena Nanut (ÖH), Benjamin Hess (JÖH), Gilda Horvath (Romblog.at)
Musik: Samuel Mago und Hoida Stojka
Im Anschluss die Gedenkveranstaltung wird eine Ausstellung mit Bildern von Jugendlichen, die in Schüler_innenworkshops mit der Auschwitz-Überlebenden Ceija Stojka (1933-2013) entstanden sind, gezeigt – sowie vier Bilder, die Ceija Stojka gemalt hatte.
Junge Held_innen
Die Gedenkveranstaltung wollte aber nicht nur die Opfer der Nazis und Diskriminierungen, denen Roma und Sinti oft noch heute ausgesetzt sind, thematisieren. Im Hof der Pfarre Altlerchenfeld wurde im Vorjahr eine von Jugendlichen erarbeitete Ausstellung „Opre Heroes – die Zeit ist jetzt“ gezeigt. Im Katalog, den es noch gibt, sind junge, selbstbewusste Angehörige dieser Volksgruppe zu sehen. Plakativ mit Umhängen posieren sie auf Fotos als Heldinnen und Helden. „Man braucht also keine Röntgenaugen wie Superman oder Spinnweben wie Spiderman, um ein Superheld zu sein. Manchmal reicht es auch, sich für andere Menschen stark zu machen oder die Stimme der Gerechtigkeit zu erheben“, heißt es in der Broschüre zu der vorjährigen Ausstellung. Mehr dazu gibt's hier unten:
Zu einem Bericht über die Veranstaltung im Vorjahr geht es hier unten: