Wissen/Gesundheit

Migräne-Gewitter im Kopf: Hilfe gegen das Gefühl der Ohnmacht

Es ist ein enormer Leidensdruck von Patienten mit Migräne, den Ulrike Grabmair aus eigener Erfahrung kennt – und aus den vielen Berichten ihrer Klientinnen: „Man hat eine Scham, als nicht belastbar zu gelten, spürt eine Wut auf den Körper. Gleichzeitig gibt es aber den inneren Druck zu funktionieren – und dann die Enttäuschung, schon wieder versagt zu haben. Das führt zu einem Gefühl der Ohnmacht, man fühlt sich völlig ausgeliefert.“

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Die diplomierte Lebensberaterin begleitet als Mentalcoach viele Patientinnen (www.kopfgewitter.at): „Die Migräne ist sehr oft wie eine dunkle Wolke, die das Leben der ganzen Familie dominiert. Darüber wird viel zu wenig gesprochen – und die Betroffenen sollten sich Unterstützung holen.“

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Wie wichtig das ist, zeigt auch eine neue Umfrage unter Patienten mit mindestens vier Migräne-Tagen pro Monat. Insgesamt wurde von mehr als 11.000 Patientinnen und Patienten in 31 Ländern ein Online-Fragebogen ausgefüllt. In Österreich waren es 140 Personen (77 % Frauen). Die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen sind demnach oft noch größer, als vielfach gedacht – und das Unverständnis von Partnern, Kollegen, Freunden ist oft enorm.

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Nicht nur die Migräne-Attacken an sich sind enorm belastend (siehe Grafik) – bei der Mehrheit der Befragten (je nach Fragestellung zwischen 60 und 76 %) beeinflusst die Erkrankung auch das Arbeits-, Familien- und Sozialleben massiv: Sie müssen Verabredungen absagen, verpassen Familienfeiern, können sich in der Arbeit nicht konzentrieren und haben noch dazu Schuldgefühle gegenüber Familie und Freunden.

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Das betont auch die Neurologin Sonja Tesar, Vizepräsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft: „Migräne ist eine Volks- und keine Zivilisationskrankheit.“ Für die Patienten selbst gebe es zu wenig Anlaufstellen.

Und viele würden herkömmliche vorbeugende medikamentöse Therapien (etwa mit Betablockern, Mitteln gegen Epilepsie oder Depressionen) auch abbrechen – wegen Nebenwirkungen oder mangelnder Wirkung, oder einfach deshalb, weil sie die tägliche Medikamenteneinnahme belaste.

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Ein Lichtblick sei bei schweren Migräneformen die neue Medikamentengruppe spezieller Antikörper, die von mehreren Firmen entwickelt wurden bzw. werden und im Abstand von mehreren Wochen injiziert werden.  Sie blockieren – oder binden im Blut – einen Botenstoff, dessen Konzentration während einer Migräne-Attacke deutlich erhöht ist. Die ersten Erfahrungen seien sehr positiv. „Viele Patientinnen haben erstmals migränefreie Monate“, sagt Tesar.

Medikamente alleine sind es aber nicht: Grabmair vermittelt in ihrer Beratung, wie wichtig es ist, aus einer resignativen Haltung herauszukommen, die Erkrankung und damit auch sich selbst zu akzeptieren. Und was sie auch allen Migräne-Patienten vermittelt: „Wir  sind  nicht die Sensibelchen, die mit Druck nicht umgehen können. Es ist eine Erkrankung.“