Leben/Essen & Trinken

Lisl Wagner-Bacher: Warum sie nicht gern Mehlspeisen kocht

101 Hauben in drei Jahrzehnten, überhaupt erste Sterne- und Haubenköchin Österreichs, erste „Köchin des Jahres“ und „Pionierin der österreichischen Küche“ – Lisl Wagner-Bacher gilt als „Grande Dame“ der österreichischen Küche. Dabei begann sie als Autodidaktin, warf die Einladung zum ersten Guide Gault&Millau weg, „weil wir es für ein Anzeigenangebot hielten“ und stellte ihre Familie immer an die erste Stelle. Im KURIER-Interview erzählt sie, wie sie ihren Stil entwickelte, warum sie nicht gern Mehlspeisen kocht und wie die weiße Rüschenschürze zu ihrem Markenzeichen wurde.

KURIER: Frau Wagner-Bacher, Sie arbeiteten nach der Hotelfachschule mit Ihrem Vater im Service des Restaurants, das Ihren Eltern gehörte und wechselten erst in die Küche, als Sie übernahmen. Warum?

Lisl Wagner-Bacher: Es war kein Druck dahinter, wir hatten nicht den Anspruch, Sterne und Hauben zu machen. Es hat sich langsam entwickelt. Damals war ein neuer Aufbruch in der Küche. Mein Mann Klaus (übernahm das Service, Anm.) und ich haben uns entschieden, das so zu machen. Es gab Eckart Witzigmann, der mich beeindruckt hat. Dann kam Werner Matt mit seiner „Neuen Wiener Küche“. Ich habe drei Jahre nur Kochbücher gelesen, um mir Inspirationen zu holen und überlegt, was zusammenpassen könnte oder wie man etwas anders machen könnte. Ein Gericht eins zu eins nachzukochen, da wäre ich zu stolz gewesen.

Wie hat sich die Gastronomie seither verändert?

Die Küche ist leichter geworden. Die ganz schweren Jus (frz., konzentriert Fleischfond als Saucenbasis, Anm.), die die französische Küche ausmachen, sind nicht mehr üblich. Die sind richtig am Gaumen geklebt. Die Sößchen, die man jetzt macht, sind bekömmlicher. Das ist ein begrüßenswerter Zeitgeist.

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Warum gehen so wenige Frauen in die Spitzengastronomie? Haben es Frauen schwerer?

Ich selbst empfand es nie als schwer, ich wurde von den Kollegen immer nett aufgenommen. Für Frauen ist es sicher schwerer, Beruf und Familie zu vereinen. Ich hatte das Glück, mit meinem Mann dieselbe Arbeits- und Freizeit zu haben, Betrieb und Wohnung waren im selben Haus. Die Kinder wussten: Die Mutti ist immer da und auch die Omas waren uns eine Hilfe.

Sie waren oft die erste Frau unter Männern, etwa beim Gourmetfestival St. Moritz.

Das war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde – für meine Variation des Milchrahmstrudels bekam ich Standing Ovations von Größen wie Paul Bocuse und Roger Vergé. Dann saß ich zwischen diesen französischen Größen, einer wollte sogar mein Rezept!

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Dabei bin ich bis heute keine große Mehlspeisenköchin – vielleicht, weil man da genau abwiegen muss und man nicht so sehr variieren kann.

Ihr Markenzeichen ist die weiße Rüschenschürze – warum keine Kochjacke?

Ich habe mich immer in einer Schürze wohler gefühlt. Heute ist die Kochjacke für alle üblich, aber ich wollte damals nicht in die Rolle eines Mannes schlüpfen. Anlässlich der Auszeichnung zum „Koch des Jahres“ haben mir Stammgäste eine weiße Rüschenschürze geschenkt und ich habe mir dann immer neue schneidern lassen, seit 20 Jahren aus teils bestickten Küchenspruchbändern, die ich auf Flohmärkten finde. Seit mein Schwiegersohn die Küche leitet, trage ich Schürzen ohne Rüschen.

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Sie haben die Küchenleitung Ihrem Schwiegersohn Thomas Dorfer übergeben. War der Rückzug schwer?

Anfangs war es nicht so leicht, ich war plötzlich heimatlos. Ein bisserl Kochen geht nicht, der Schritt war notwendig. Ich habe mir andere Aufgabenfelder gesucht, mache unsere Marmeladen selbst und bin die Unterhaltungsoma für meine fünf Enkerl. Wenn Thomas auswärts ist, übernehme ich vorübergehend. Dann macht es auch Spaß – für einige Tage.

 

Buchtipp: Lisl Wagner-Bacher, Meine Österreichische Küche - Familienrezepte für jeden Tag, Brandstätter Verlag, 35 Euro

 

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