40 Jahre Chippendales - voll retro oder leider geil?
Von Gabriele Kuhn
Ich meine, das war schon irgendwie cool. Irgendwie. Ich rede von den Chippendales, Sie wissen, diese strippende Männer-Truppe. 40 Jahre ist sie schon alt. Das macht mich nachdenklich, denn vor gefühlt 100 Jahren, also gefühlt vor der Gründung der Boy-Group, habe ich denen auf der Bühne beim Ausziehen zugeschaut. Nicht freiwillig, zugegeben – doch eine Einladung führte mich in dieses Etablissement, wo die Burschen erst ihre engen Hosen und die anwesenden Damen zügig ihre Hemmungen fallen ließen. Exzessiver Kreischalarm und Östrogen-High. Paarungszeit, die Hirsche röhrten und, hui, wir waren dabei.
Ich weiß bis heute nicht genau, was mich mehr irritierte. Die Typen mit ihren Sixpack-Kekserln oder die Frauen, die die Bühne bestiegen und komische Dinge taten. Irgendwann war dann auch alles wurscht, und ich fand einen der Chips unsagbar lässig. So lässig, dass ich einem Gerücht folgte und mitsamt der Damenrunde in einer damals bekannten Disco in der Innenstadt landete, nur weil wir alle dachten, die Chippendale-Herren würden dort eine After-Party feiern. Kommen die? Kommen sie nicht? Sie kamen – und feierten tatsächlich dort, worauf ich eine Flasche Sprudel nach der anderen springen ließ, nur um wirklich dabei zu sein. Gut, ich war jung, hatte kein Geld, aber – in dieser Nacht – ziemlichen Spaß.
Heute sitze ich da und denke mir: Was bitte? Wie bitte? Die gibt es immer noch? Ist das nicht irgendwie gegessen? Ist das nicht durch? Brauchen wir Frauen sowas noch? Aber offenbar funktioniert das Ding und funktionieren die Dinger. Gerade wird viel über die Truppe und ihre Geschichte geschrieben, Fakt: Die Chippendales haben längst Kultstatus erreicht, weisen aber jegliche Form von Schlüpfrigkeit von sich – Unterhaltung, eh klar, aber eben voll gehobenes Niveau. Wie auch immer – die Masche zieht. Denn nach wie vor treten die Jungs mit nix außer „Collars and Cuffs“ auf, sprich: weiße Krägen, schwarze Fliegen plus weiße Manschetten an den Handgelenken. Irgendwann dann die Nummer mit der Uniform, wuhu. Fantasien werden bedient, es könnte ja auch der Rauchfangkehrer sein, der Briefträger oder dieser lässige Typ, der immer so erotisch Bier ausschenkt, in der Stammbar. Dazwischen blitzt solariumgebräunte Männerhaut hervor, haarlos und für viele noch immer leider sehr geil. Irgendwann geht man ins Bett und träumt so dahin.
Mittlerweile finde ich das alles ein bisserl irritierend. Man müsste sich das im Moment nur umgekehrt vorstellen. Aber während man es echt „oag“ und „voll retro“ finden würde, würde eine Halle voller Herren angesichts einer Truppe gut durchtrainierter Damen in wenig bis nichts ins Testosteron-High taumeln, dürfen die Frauen (im Namen der Gleichberechtigung) ungehemmt kreischen, wenn da einer mit den Lenden kreist. Hm, darüber lässt sich vermutlich sehr lange, bei hoffentlich gutem Wein (oder ja: Sprudel) sowie Chips (Oh, Zufall, so heißen die Chippendales im Auskenner-Jargon) diskutieren. Aus meiner Sicht ist das auch nix anderes als Sexismus, nur halt in eine Bühnen-Show verpackt. Aber, mein Gott, wenn ein paar Leute daran Spaß haben und die Arbeitswoche aufgrund nackter Tatsachen ein einziges Holladero wird: Ehrlich, was soll schon sein?