Weinviertel: Auf den Spuren von Simon Polt
Von Maria Gurmann
Der Ausseer Schriftsteller Alfred Komarek bezeichnet sich als „Stadtflüchtling“. Sein Lieblingsschild ist immer noch „Ortsende von Wien“. Im 9. Bezirk richtete er sich „die Folterkammer zum Schreiben“ ein. Um der Stadt zu entfliehen, suchte Komarek vor fünfzig Jahren „Fluchtorte“. Da verirrte er sich ins Pulkautal im Weinviertel und fand den alten Weinkeller, den er heute noch besitzt. Der Krimiautor beschreibt die Weite der Pulkauer Rebenhügel so: „Es ist eine unglaubliche Landschaft, drei Viertel davon ist Himmel, der die Stimmung hier dauernd verändert. Man navigiert wie auf hoher See zwischen leichtem Gewoge.“ Es ist die Gegend, in der seine Romanfigur Gendarm Simon Polt – in den Filmen von Erwin Steinhauer verkörpert – Mordfälle aufklärt.
Wer wissen will, warum sich Komarek in diese Landschaft und ihre Bewohner verliebt hat, sollte unbedingt auf den Polt-Radwanderwegen eine Tour zu den Originalschauplätzen machen. Die gesamte Länge beträgt achtundfünfzig Kilometer. Von Mailberg bis Pernersdorf gibt es sechs Etappen. Auch ohne E-Bike lässt sich die Strecke mit flachen Wegstücken und mäßigen Steigungen leicht bewältigen. Für Speis’ und Trank am Wegesrand ist ebenfalls gesorgt. Von Frühling bis Herbst öffnen die Winzer ihre Presshäuser und Kellerröhren und kredenzen Wein. Die Wege sind hervorragend beschildert, dazu gibt es jede Menge Landkarten und bei jedem Polt-Drehort genaue Beschreibungen.
Sehenswert ist das Tonkino in Großkadolz, das zwar nicht mehr in Betrieb ist, aber dessen Fassade immer wieder in den Polt-Filmen zu sehen ist. In Mailberg ist es das Gasthaus Kopp, das leider immerwährenden Ruhetag hat und nur einmal im Jahr, am Polt-Radwandertag im Frühling, aufsperrt. Alfred Komarek ist dann immer dabei, radelt mit und liest im Wirtshaus Kopp, das im Polt-Krimi „Kirchenwirt“ heißt, aus seinen Büchern. Die Zeit steht dort still. In der alten Holzschank steht Herr Kopp und schenkt aus Dopplern aus, an der patinierten Holzwand hängen Pin-up-Kalender aus den 1960er-Jahren, dicht gedrängt sitzen die Polt-Fans an den Wirtshaustischen.
Ein Muss ist auch ein Stopp in der Kellergasse „Zipf“ in Mailberg – die einzige denkmalgeschützte Kellergasse in Niederösterreich. Viel los ist dort beim Kellergassenfest, jedes Jahr am dritten Juni- Wochenende. Ein köstliches Mittagessen servieren die Winzer Hagn, die über ihren alten, langen Kellerröhren ein modernes Presshaus und das „Weindomizil“ mit Restaurant, Bar und Gästezimmern errichtet haben. In Jetzelsdorf ist es Norbert Bauer, der durch seine Weinkeller führt. „Diese Gegend hat in allen vier Jahreszeiten ihren Reiz.“ Im Gegensatz zum Ausseerland, wo Jahreszeiten große Auftritte haben, „fließen sie hier ineinander“. Alfred Komarek hat recht. Die Polt-Krimis spiegeln diese Vielfalt des Pulkautals wider. maria gurmann
Tipps
Polt-Führungen: 18 € pro Person, zirka 3 Stunden, mit Kellerbesuch, Weinprobe, Polt-Radkarte, Tour mit zertifizierten Polt-Begleitern, pulkautal.at
Vinothek: Die zweihundert Jahre alte Kirche in Jetzelsdorf ist jetzt eine Vinothek.
Sehenswert: Weinbaumuseum in Untermarkersdorf, pulkautaler-weinbaumuseum.