Klimasünder Mode: Nur auf Fast Fashion hinzuhauen, wäre unklug
Von Maria Zelenko
Dieser Tage dreht sich in der Modewelt alles um eine Frage: Welche Trends werden wir in der kommenden Saison tragen? Im Zuge der Fashion Week in Paris präsentieren vom Jung-Label bis zum renommierten Modehaus derzeit alle ihre neuen Kollektionen. Schnitte und Farben sind jedoch nicht das dringendste Thema, mit dem sich die Branche zu beschäftigen hat – es ist die Nachhaltigkeit.
Die Modeindustrie nimmt eine zentrale Rolle in der Klimakrise ein, ist sie doch eine der umweltschädigendsten Branchen der Welt. Doch erst seit vergangenem Jahr wird dies zunehmend ernst genommen und ein neuer Kurs eingeschlagen.
Im Dezember 2019 haben sich im Zuge der UN-Klimakonferenz 500 Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Treibhausemissionen so weit zu reduzieren, dass sie bis zum Jahr 2030 einen Netto-Nullwert erreichen. Bereits im August hatten sich 240 Marken im Rahmen des G7-Gipfels darauf geeignet, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen.
Schnelligkeit gewinnt
Was dabei von vielen vergessen wird: Auch der Konsument ist Teil des Problems. Ein aktueller Bericht des dänischen Nachhaltigkeitsforums Global Fashion Agenda zeigt, dass für lediglich sieben Prozent beim Kauf von Mode Nachhaltigkeit das wichtigste Entscheidungskriterium ist. Für den Großteil ist hohe Qualität oberste Priorität, dicht gefolgt von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Hinzu kommt bei vielen das Bedürfnis in Sachen Trends immer auf dem neuesten Stand gekleidet zu sein.
Hier kommen Fast-Fashion-Unternehmen ins Spiel. Was gerade noch auf dem Laufsteg gezeigt wurde, können sie fast in Echtzeit kopieren. „Firmen wie Zara können innerhalb kürzester Zeit einen Trend auf die Fläche bringen“, sagt Ute Maria Gnasso, Leiterin der deutschen Trendagentur Modekonzept. „In der Regel sind es sechs Wochen, sie schaffen es manchmal sogar in zwei.“
Diese Schnelligkeit in Kombination mit günstigen Preisen wird „belohnt“: Der Zara-Mutterkonzern Inditex verkündete Ende 2019 einen um zwölf Prozent gestiegenen Gewinn auf 2,71 Milliarden Euro. Von einer Abkehr von schneller Mode kann also noch lange nicht die Rede sein.
Böse sind viele
Davor, Fast-Fashion-Riesen als die einzig Bösen im Klima-Dilemma darzustellen, warnt jedoch Morten Lehmann, Leiter des Nachhaltigkeitsbereichs bei der Global Fashion Agenda: „Viele nehmen fälschlicherweise an, dass Luxusmodehäuser wegen der viel höheren Preise nachhaltiger sind. Das ist jedoch nicht zwingend der Fall.“ Es sei wichtig, nicht nur Fast-Fashion-Marken in die Mangel zu nehmen, sondern auch andere Branchenriesen.
Das scheint zu fruchten, viele Hersteller denken bereits um. „H&M macht beispielsweise sehr viel Positives auf diesem Gebiet.“ Auch auf Zara trifft das zu: Beim Konzern Inditex, zu dem neben Zara auch Marken wie Bershka, Massimo Dutti und Pull & Bear gehören, will man nicht untätig sein.
Vergangenes Jahr wurde bekannt gegeben, dass bis 2025 nur noch nachhaltige Mode produziert werden soll. Plastiksackerl sind bereits verbannt worden. Lehmann: „Ständig auf gewisse Marken hinzuhauen, kann sich im schlimmsten Fall negativ auf deren Nachhaltigkeitsarbeit auswirken. Sie lernen durch die Negativ-Schlagzeilen nur, dass sie ihre positiven Bestrebungen lieber nicht kommunizieren sollten“.
Kollektionen en masse
Es sind auch die großen Modehäuser, die Teil des gefährlichen Zyklus sind. Wurden vor zwanzig Jahren nur zwei Kollektionen pro Jahr produziert, waren es ein Jahrzehnt später bereits fünf. In Extremfällen können es heute bis zu 24 Kollektionen sein.
Eine Katastrophe für die Umwelt, weil vom Wasser bis zum Material Unmengen an Ressourcen verbraucht werden – den Kunden jedoch gefällt’s.
„Es herrscht ein Drang ständig etwas Neues zu besitzen“, beobachtet Maria Beyrl, die mit Esther Peischl das nachhaltige Modelabel me in Wien gegründet hat, das seine Mode von einem integrativen Verein im 20. Bezirk nähen lässt. „Und das Alte ist dann nichts mehr wert.“
Wobei der Begriff „alt“ relativ zu sehen ist: Rund 72 Millionen nie oder sehr selten getragene Kleidungsstücke befinden sich laut Greenpeace in den Kleiderschränken der Österreicher. Rund die Hälfte der Befragten gab gegenüber der NGO an, Kleidung auszusortieren, wenn sie nicht mehr gefällt – selbst wenn das Stück keinerlei Mängel aufweist.
Vieles davon landet im Müll. Maria Beyrl hat deshalb einen anderen Weg eingeschlagen: „Ich biete eine Basis-Kollektion an, auf die meine Kunden mit einzelnen Stücken aufbauen können.“ Kollektionen sollten sich laut der Designerin nicht gegenseitig ersetzen.
Bye, bye Trends?
Ist die einzige Lösung also eine Abkehr von Trends? „Nein“, sagt die Wienerin. „Der Zauber soll und darf natürlich erhalten bleiben. Dennoch liegt es in der Verantwortung der Designer, diesen Zyklus zu verlangsamen.
Wenn wir die Konsumenten so weit bekommen, dass sie nicht mehr das Gefühl haben, sich jede Saison oder gar jeden Monat modisch neu erfinden zu müssen, dann ist schon viel gewonnen.“
Die gegenwärtige Kultur der sofortigen Befriedigung sieht auch Morten Lehmann als eines der größten Probleme. „Im Durchschnitt wird ein Kleidungsstück nur sechs Mal getragen“, sagt der dänische Experte für Nachhaltigkeit. Und appelliert deshalb an den Hausverstand von Modefans: „Jeder sollte sich darüber Gedanken machen, ob das Outfit für die kommende Party danach überhaupt noch einmal angezogen wird.“ Und ist die Antwort „Nein“, sich vielleicht doch gegen den Kauf zu entscheiden.
Baldiges Aus für alle Fashion Shows?
In Zeiten, in denen jeder Laufsteg-Look in Echtzeit von den anwesenden Gästen auf Instagram gepostet wird, konnte eine Modeschau in den vergangenen Jahren nicht ausgefallen genug sein. Doch auch hier findet der Umwelt zuliebe ein Umdenken statt. Für manche heißt dies: ein Komplettverzicht.
Die Fashion Week in Stockholm wurde deshalb komplett abgesagt. So extrem geht es Dior nicht an, pflanzte jedoch die Bäume, die als Deko bei einer Show zum Einsatz kamen, danach ein. Derzeit wird an einem Tool gearbeitet, das künftig den ökologischen Fußabdruck der Modewoche messen soll. Denn auch scheinbare Kleinigkeiten können einen großen Unterschied machen: Präsentationen in Locations, die nicht den Einsatz unzähliger Glühbirnen erfordern, wird es künftig hoffentlich nicht mehr geben.