Kabarettist Klaus Eckel: „Wäre jetzt lieber Waffenhändler“
Der Humor ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung“, schrieb schon der Psychiater Viktor Frankl, der drei Jahre in einem Konzentrationslager verbrachte. Auf die Pandemie umgemünzt, könnte man den Satz von Frankl heute so formulieren: „Humor ist auch ein Desinfektionsmittel, nur halt für die Psyche“, sagt Kabarettist und KURIER-Kolumnist Klaus Eckel.
Und er hat recht. Wissenschaftlich gesehen wirkt Lachen wie ein erlaubtes Dopingmittel für Körper und Seele. 80 Muskeln werden beim Lachen aktiviert. Die Luft schießt mit 100 km/h durch den Körper. Durch Lachen kann man Angst und Spannungen abbauen, weil die Produktion von Stresshormonen wie Adrenalin und Kortison reduziert wird. Humor, könnte man sagen, ist der Gegenspieler der Angst. Und Ängste gibt es derzeit genügend. Wie Humor uns durch die Lockdown-Blues bringen könnte, erklärt Eckel im KURIER-Gespräch.
KURIER: Herr Eckel, zuerst eine ungewöhnliche Einstiegsfrage: Haben Sie schon einen Lieblings-Corona-Witz?
Klaus Eckel: Ach, da gibt’s viele. Was hat Sebastian Kurz seit Pandemiebeginn wirklich im Griff? Die Grünen.
Oder: Im Dezember bekomme ich sicher von der Regierung einen Corona-Adventkalender. Hinter jedem Türchen ein anderer Impfstoff.
Ist Lachen gerade in Krisenzeiten unbedingt notwendig?
Falls das derzeit nicht gelingt, gibt es noch den tröstenden Satz: Komödie ist Tragödie plus Zeit. Wahrscheinlich werden wir uns in zwei Jahren gegenseitig schmunzelnd erzählen, wie wir uns 2020 den Fixkostenzuschuss in Klopapier, Nudeln und Hefe auszahlen haben lassen.
Glauben Sie, dass Humor die Perspektive auf diese Zeit verändern kann?
Ich denke doch. Jede Kehrseite hat auch eine Medaille. Der Lockdown ist ärgerlich, aber gleichzeitig ein großartiger Ausredenlieferant. Ich beruhige mich zum Beispiel oft mit dem Satz: „Ich würde sehr gerne das Fitnesscenter und nachher die Tante Herta besuchen, nur die Regierung verbietet es“. Da muss mir nach der Impfung wieder etwas Neues einfallen.
Innerhalb von 24 Stunden gab es einen Terroranschlag in Wien und den Start für einen weiteren harten Lockdown. Wie legt man da sein schlechtes Gewissen ab, wenn man durch Lachen für einige Momente aus der Realität ausbrechen will?
Humor ist eine Grundhaltung, er zweifelt oft vermeintliche Wahrheiten an, und genau das unterscheidet uns von den radikalen Spinnern. Es gibt keinen einzigen Terroristen mit Humor. Die nehmen sich alle ernst und Menschen die sich ernst nehmen, sollte man sowie nicht so ernst nehmen.
Fühlen Sie sich durch den Lockdown bedroht?
Natürlich wäre ich jetzt lieber ein Waffenhändler als ein Komiker. Ich entwickle derzeit viel. Buch, Drehbuch, kurze Lieder. Derzeit ohne Kundschaft. Schreiben auf Verdacht. Falls jedoch noch ein Lockdown kommt, wird mir eine Teilnahme bei den Dancing Stars nicht erspart bleiben.
Klingt, als wäre Ihnen in den vergangenen neun Monaten das Lachen hin und wieder vergangen?
Überraschend selten. Humor ist auch ein Desinfektionsmittel, nur halt für die Psyche. Deswegen wasche ich neben meinen Händen genau so sorgfältig mein Gehirn.
Studien zeigen, dass Feuerwehrmänner, die einen guten Humor entwickelt haben, weniger posttraumatische Symptome haben. Warum ist gerade der Humor ein effektiver Weg, um seine Resilienz zu steigern?
Interessant wäre, den Grund für die gute Laune des Feuerwehrmanns herauszufinden. Vielleicht, weil es nicht sein Haus ist, das brennt? Erwiesen scheint, dass der Humor das Immunsystem stärkt. Das macht aber Sex auch. Bedauerlicherweise komm ich viel öfters zum Lachen. Vielleicht ist Humor auch nur das Methadonprogramm für beischlafbeurlaubte Menschen.
Wovon Singles im Lockdown besonders betroffen sind. Wie können Singles dem Lockdown-Blues entfliehen?
Sie sollten einfach mit Paaren im Beziehungsblues telefonieren. Der wechselseitige 24-Stunden-Jogginghosen-Anblick befeuert selten die Lust auf erotische Übergriffe. Die meisten Eltern haben mittlerweile ihre Zuneigungsfloskeln dem Lockdown angepasst. Statt „Ich liebe dich“ sagt man „Heute übernehme ich das Homeschooling“.
Es gibt viele Arten von Humor. Welchen bevorzugen Sie?
Ich mag den Humor, bei dem nicht der böse Andere im Zentrum der Kritik steht, sondern die eigene Fehlbarkeit. Wäre ich tatsächlich ein besserer Gesundheitsminister, Fußballtrainer oder Liebhaber? Da irrt man sich öfter als man denkt.
In der Krise gab es unzählige gegensätzliche Entscheidungen der Bundesregierung. Im ersten Lockdown durften die Bundesgärten nicht öffnen, aber jetzt will man die Skipisten öffnen. Oder Waffengeschäfte haben geöffnet, Buchläden nicht. Ist die Pandemie und ihre Bewältigung eine Quelle für einen Kabarettisten?
Interessant finde ich, dass die Schulen jetzt zu sind, damit im Jänner die Skischulen öffnen können. In Österreich gilt die Bildungsregel: Pizzaschnitte schlägt Pythagoras. Aufgrund solcher Strategien habe auch ich gelegentlich den Eindruck, dass manche Politiker uns Kabarettisten den Arbeitsplatz wegnehmen wollen, aber genau deswegen belaste ich mich nicht zu sehr mit dem Tagesgeschäft. Der großartige Gerhard Polt hat einmal richtig bemerkt, dass er sich lieber mit dem Akuten als mit dem Aktuellen beschäftigt.
Verändert die Corona-Krise unseren Humor?
Leider wird er teilweise gehässiger. Satire darf prinzipiell alles, das bedingt aber nicht, dass sie alles muss. Der Tausch Pointe gegen Verletzung ist vielleicht ein lohnendes, aber kein feines Geschäft.
Zynische Bemerkungen lehnen Sie also ab?
Nein, aber ab einer gewissen Dosis vergiften sie das eigene Gemüt. Ich will einfach nicht die Welt als ironisches Projekt betrachten. Obwohl ich davon vermutlich besser leben könnte.
Was ist das Besondere am Humor für Sie? Vielleicht, dass er im Gegensatz zur Gesundheit im Alter nicht verschwindet ...
Er ist beim Altern der einzig wahre Trost. Deswegen heißt es doch, heirate ausschließlich einen Menschen mit Humor, weil Humor bleibt von der Gravitation unbeeinflusst.
Als Sie sich entschieden, Kabarettist zu werden, was war da der Antrieb für Sie? Die Freude an der Wuchtel oder Menschen zum Lachen zu bringen?
Mich hat immer schon die Frage beschäftigt: Warum sind wir Menschen so, wie wir sind? Die halben Viertelwahrheiten, die mir dazu einfallen, versuche ich mit Humor zu garnieren. Ich will zwei Stunden Zerstreuung bieten. Mit Elementen von Anspruch und wenig Missionierung. Und ah ja, ausschlafen will ich auch.
Im Lockdown vertreiben wir uns mit vielen digitalen Errungenschaften die Zeit. Kann auch das Kabarett durch künstliche Intelligenz ersetzt werden?
Gelegentlich sage ich zu meinem smarten Lautsprecher: „Alexa, bitte Witz“. Bis jetzt hat sie mich noch nie zum Lachen gebracht, aber sie wird besser. Vielleicht wird in ein paar Jahren mein smarter Lautsprecher auf der Bühne stehen und ich produziere auf einem hinter der Bühne befindlichen Ergometer für ihn den Strom. Doch damit bleibe ich zumindest in der Branche.