Leben/Gesellschaft

Happy Birthday, lieber Vibrator!

Tut leid, das muss jetzt sein: Noch ein Oeuvre zum Thema „Sexspielzeug“. Denn als Folge meiner Kolumne zum Thema "Wenn der Vibrator im Koffer surrt" wurde ich im Supermarkt von einer Dame angesprochen: „Ich hab’s gelesen, lustig, ist mir auch schon passiert.“  Gerade mit der Wahl des optimalen Sauerrahms fürs Abendessen beschäftigt, begriff ich nicht sofort, worum es ging. Da schob die Dame prustend nach: „Na, die G’schicht mit dem Koffer! Und weil ich Sie gerade sehe: Wissen S’, was die Staatsoper und der Vibrator gemeinsam haben?“ Ich blieb sprachlos, weil ich es, sauerrahmfixiert, wie ich in diesem Moment nun mal war, nicht wusste. Ohne eine Antwort abzuwarten, sagte die Frau: „Den Geburtstag! Beide sind heuer 150 Jahre alt geworden. Wiederschau’n!“ Weg war sie.

Der Vibrator. Stets für eine Geschichte gut – und eben auch Geschichte im historischen Sinn. Stimmt: Im Jahr 1869 präsentierte  Dr. George Taylor seinen „Manipulator“. Der war dampfbetrieben und so ein Riesending, dass der Motor in einem separaten Raum untergebracht wurde, während der vibrierende Teil durch ein Loch in der Wand ragte. Ich stelle mir vor, wie sich die erste „Versuchsperson“ gefühlt haben muss, als der Doktor seine Dampf-Lok angeworfen hat. Erst im 19. Jahrhundert wurde das Monster von elektrischen Modellen abgelöst – Behandlungen damit wurden von Ärzten therapeutisch verordnet, gegen Arthritis, Verstopfung (auch bei Männern), Müdigkeit, Angst, Reizbarkeit (damals „Hysterie“ genannt). Es hieß außerdem, die Vibrationstherapie könne eine „wandernde Gebärmutter“ stoppen. Irgendwann wurden die Dinger kommerzialisiert und – diskret – beworben. Mary Roach  dazu in „Bonk. Alles über Sex – von der Wissenschaft erforscht“: „Während einige wenige sich in versteckten Andeutungen auf die wahren Freuden des Geräts ergingen (,Lässt Sie vor Lebensfreude sprühen!’), hüllten sich die meisten in einen nebulösen Schleier vager Gesundheitsversprechen.“

Von nun an ging’s rund. Und plötzlich nannte man die Lust-Stäbe nicht mehr nur schlicht „Hausfreund“, sondern „Juckfinger“, „Imperator“ oder „Muschibär“


Andere wagten einen Vorstoß ins Absurde – eine Reklame aus dem Jahr 1916 zeigte eine Frau, die sich einen Vibrator an die Wange hält. Dabei stand, das Gerät garantiere gesellschaftlichen und beruflichen Erfolg. Roach weiter: „Ein paar Star-Vibratoren wurden 1922 als vergnügliche Gefährten angepriesen oder als ideal fürs Wochenende.“ Im Jahr 1966 schließlich die Erfindung des ersten kabellosen Vibrators. Laut der Kulturwissenschaftlerin Nadine Beck, die sich dem Thema wissenschaftlich näherte, kam 1969 das erste Modell in Phallus-Form auf den Markt. Aber hallo, von nun an ging’s rund. Und plötzlich nannte man die Lust-Stäbe nicht mehr nur schlicht „Hausfreund“, sondern anschaulich „Juckfinger“, „Imperator“ oder „Muschibär“. Brumm. Brumm. Wobei die ganz argen Lustspender – wie der mittlerweile legendäre „Womanizer“ – genau genommen nicht vibrieren, sondern mit zarten bis harten Luftdruckwellen beglücken, die Klitoris ansaugen und so die Damen auf diese Weise innerhalb von zwei, drei Minuten zum Orgasmus bringen.

Jetzt ist die Frage: Was kommt da noch? Schwer zu sagen. Denn selbst einen Vibrator, der sprechen kann, hat es schon gegeben. Allerdings kam „Freddy“ aus dem Scherzartikel-Bereich. Und so stelle ich mir vor, wie in den Vibrator-Thinktanks jeden Tag die Köpfe rauchen und darüber nachgedacht wird, was die High-High-High-Tech-Version eines „Juckfingers“ genau können müsste. Ich persönlich finde ja, ein Vibrator, der auch gut bügelt und staubsaugt, wäre der ideale Hausfreund. Es bleibt spannend. Bis dahin: Happy brrrrthday, schlimmer Finger.