Leben/Essen & Trinken

Wie gut schmeckt ein Schnitzel ohne Fleisch?

Das Schnitzel gehört zur namensgebenden Stadt wie die Brösel zum Ei. Pro Kopf vertilgen wir hierzulande unglaubliche 30,6 Portionen pro Jahr – Touristen freilich miteingerechnet. Die Neuigkeit mag also für Fleisch-liebende Österreicher ein Frevel sein: Das bekannte Unternehmen „Hermann“ aus dem oberösterreichischen Ulrichsberg wagt sich an eine vegetarische Variante des heimischen Kulturguts. Ein Naturschnitzel ohne Fleisch, quasi. Geklopft wird das Schnitzel in der Produktionsstätte aus handgeernteten Kräuterseitlingen, Reis, Rapsöl und Gewürzen.

Mühlviertel
Seit Kurzem stellt das Unternehmen „Hermann“ (35 Mitarbeiter) auch das Substrat, den Boden für die Zucht von Kräuterseitlingen, selbst her. Da europaweit die Nachfrage von Pilzen als veganer Fleischersatz wächst, ist man so unabhängig von  der Marktnachfrage. Aktuell wird an der Fertigstellung von 36 Pilzzuchthallen gearbeitet – bald wird der Vollbetrieb aufgenommen. Ebenso im Mühlviertel befindet sich die Austernpilz-Zucht von Julia und Markus Scharner unter der Marke „Mosberger“

Steiermark
Die Austernpilze und Shiitake von den „Pilzjägern“ in St. Marein-Feistritz gibt es zum  Beispiel via „Erntefrisch - Steirische Gemüsebox“ nach Hause

Niederösterreich
Die „Schwammerlprinzen“ ernten im Wienerwald unter der Marke „Vitus“ für einen Lebensmittelhändler mehrere Tonnen Speisepilze in der Woche

Wien
In der Hauptstadt züchten kleine Anbieter wie „Huth und Stiel“ oder die „Pilzbrüder“ diverse Schwammerl-Sorten

Flach wie eine Flunder

Die wichtigste Frage zuerst: Schmeckt das denn? Der Fleischersatz präsentiert sich flach wie eine Flunder – etwas zu flach für Schweinefleisch. Wer den Fleisch-Ersatz anschneidet, erkennt die Reiskörner – farblich ist die Reis-Pilz-Mischung heller als zartrosa Schweinefleisch. Im Biss kommt die vegetarische Alternative nicht an ein Schnitzel heran, da die Masse doch recht kompakt ist. Geschmacklich dominieren Salz und frisch gemahlener Pfeffer.

Da die Österreicher einen sehr hohen Anspruch an die Panier stellen, entschied sich das Team gegen eine panierte Version in der Verpackung. Der Hobbykoch kann nach Belieben das Filet selbst zu Hause mit einer frischen Ei-Brösel-Panade zubereiten.

Sechs Jahre experimentierte das Vater-Sohn-Team Hermann und Thomas Neuburger an der Kreation (ab Mitte März im Handel), an den Start ging es im Jahr 2016 mit Rostbratwürsteln und Gyros. Die Produktion hat sich seitdem verfünfzigfacht, demnächst sind die österreichischen Produkte in hunderten Edeka-Standorten in Baden-Württemberg erhältlich. Umsatzzahlen werden nicht bekannt gegeben.

Fleisch am Sonntag

Zum Familienunternehmen gehört auch die Leberkäse-Marke Neuburger mit der markanten TV-Werbung.

Warum wagen sich die Neuburgers an ein solch emotionales Kulturgut? „Früher wurde Fleisch nur zu besonderen Anlässen gegessen. Schnitzel gab es zu Feierlichkeiten wie Weihnachten und Hochzeiten, irgendwann stand es jeden Sonntag am Speiseplan und mittlerweile wird es nicht mehr nur sonntags gegessen. Unser Umgang mit Fleisch muss sich wieder dringend ändern“, so Hermann Neuburger, der den steigenden Konsum und die heutigen Bedingungen der Massentierhaltung als Fleischer seit Jahren kritisiert.

Besonders geglückt ist dem Unternehmen ein vegetarisches Faschiertes, das weiterverarbeitet zu einem faschierten Laibchen tatsächlich von einem Fleischlaibchen nicht zu unterscheiden ist. „Als ich als Kind meinem Vater früher in der Fleischerei geholfen habe, landeten alle Fleischreste im Fleischwolf, die übrig geblieben sind. Heute darf man das nicht mehr und verwendet ganze Edelteile.“

Das Produkt ist übrigens durch Zufall entstanden, erzählt Thomas Neuburger: „Wir kochen in der Familie gerne und meine Schwester hat für Grammelknödel die Würstel zerkleinert.“ Da die AMA-Absatzzahlen für Faschiertes ständig wachsen, glaubt das Duo dem Verlangen nach Lasagne, Spaghetti Bolognese und Burger-Laibchen nachzukommen.

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Klimawandel

765.000 Österreicher ernähren sich bereits ohne Fleisch und 2,3 Millionen Menschen würden ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren. Der Verzehr eines Schnitzels ist längst zu einem Politikum geworden: Stichwort Klimawandel. Zwischen 1916 und 2020 hat sich der heimische Fleischkonsum verfünffacht. Erst vor Kurzem erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz „bei aller Liebe für Klimaschutz“, aber auf ein Schnitzel wolle er nicht verzichten. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner machte mit dem Sager „Das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“ Schlagzeilen im Nationalratswahlkampf 2019.

Der Hintergrund: Der ökologische Fußabdruck von Lebensmitteln zeigt, dass Fleisch- und Milchprodukte eine besonders schlechte -Bilanz aufweisen. Sie alleine sind für 67 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, die auf die Ernährung zurückgehen. Das Schwein weist laut dieser Statistik 4,2 Kilogramm sogenannter -Äquivalente pro Kilo auf – Gemüse wie Pilze kommen auf rund 150 Gramm pro Kilo.