Leben

Burberry und Co: Warum Hooligans Luxusmarken tragen

Fußball in den obersten Spielklassen war ohnehin für die britische Arbeiterklasse kaum mehr finanziell zu stemmen. Mit der Gründung der elitären Super League mit erheblich englischer Beteiligung ist das frühere Stammpublikum wohl endgültig nicht mehr in den ganz großen Stadien vertreten. 

Fußball und Luxus, das Verhältnis hat einmal ganz anders ausgesehen. Die - Gewalt suchenden - Fans aus der Arbeiterklassen haben in den späten 70ern begonnen, feinsten Zwirn edler Marken wir Burberry (oder auch Plagiate davon) und Stone Island zu tragen - und ihn mit teurer Trainingskleidung von Fila, Ellesse oder Sergio Tacchini zu kombinieren.

Die sogenannten Casuals gibt es heute noch - auch in den Kurven des europäischen Festlands. Der Stil hat es auch aus dem Fußball herausgeschafft. Die Wurzeln liegen aber ganz klar im Hooliganismus.

Nicht sofort erkennbar

Anfang der Achtzigern streifte die britischen Hooligans entweder martialische Bomberjacken oder bunte Trikots und andere Fanartikel ab. Und anders als Generationen ihrer Vorgänger kleideten sie sich auf einmal mit Exklusivem. Die Überlegung war laut dem Fußball-Magazin 11 Freunde eine denkbar einfache: So wollten sie verhindern, dass sie gleich als gewaltbereite Meute identifiziert werden konnten. "Wie soll ein fesch-geschniegelter Bursch mit konservativem Burberry-Schal und klassischer Schiebermütze Böses im Sinn haben. Kann sich ein Rowdy etwas von Stone Island leisten?", mag sich da so mancher Bobby gedacht haben. 

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Spätestens seit den Tragödien von Heysel (hier starben 1985  39 Juventus-Turin-Anhänger wegen wildgewordener Liverpool-Fans) und Hillsborough (96 Liverpool-Fans starben bei einer Massenpanik im Stadion) ließ Premierministerin Margret Thatcher scharf gegen Hooligans vorgehen. Kritiker warfen ihr übrigens vor, wegen ihrer arbeiterfeindlichen Politik und Abbau des Wohlfahrtsstaates den sozialen Frust anzuheizen und somit den Hooliganismus zu begünstigen.

Während die Hooligans mit den teuren Marken in der Öffentlichkeit weniger auffielen, waren sie für potenzielle Widersacher schnell zu erkennen. Die Kleidungsstücke wurden zur Uniform.

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Und ein funktionaler Aspekt war auch dabei: der Vorteil im Kampf. Robuste Jacken und Mäntel wie von Stone Island können Glasscherben weniger anhaben. Bei den Schuhen war der „Reebok Classic Leather“ hoch im Kurs. Wegen des leichten Gewichts hat er sich hervorragend für die Flucht geeignet. Und ganz bizarr: Wegen der hochwertigen Lederverarbeitung soll sich auch Blut gut abwaschen haben lassen, schrieb zumindest der Musikexpress

Geschäfte geplündert

Der Legende nach soll der edle-sportive Misch-Stil 1977 bei einer Aus­wärts­fahrt des FC Liver­pool nach Frank­reich geboren worden sein. "Dabei plün­derten die bri­ti­schen Anhänger meh­rere Geschäfte und kehrten mit brand­neuer Sport­klei­dung von Ellesse, New Balance und Adidas zurück auf die Insel – und in die hei­mi­schen Sta­dien", schreibt 11 Freunde in einem Artikel. Generell dürften viele Stücke wegen klammer Kassen nicht immer auf konventionelle Weise erstanden worden sein.

Aber ganz legal soll es ebenso zugegangen sein. Die Schlachtenbummler nutzten die internationalen Auswärtsspiele neben Saufen und Schlägereien auch für ausgedehnte Einkaufsbummel.

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In den 70ern interessierten sich die jungen Männer aus der Arbeiterschicht auf einmal für Modetrends und teure Marken. Damit verstießen sich auch gegen das traditionelle Männerbild. Es war also durchaus auch eine Rebellion gegen die Älteren. Ganz neu war das nicht. Schon die Mods hatte ein Jahrzehnt zuvor ihre Klassenzugehörigkeit mit schickem Gewand wie den Fred-Perry-Polos optisch geleugnet. 

Wie schon bei den Mods verlor der Hooligan-Stil seine szenetypische Eigenheit. Nach den Katastrophen von Heysel und Hillsborough wurden die englischen Stadien modernisiert, Sitzplätze eingesetzt und die Eintrittspreise angezogen. Die britischen Casuals verloren ihr Habitat. Wie Vice einmal schrieb, zog Anfang der 90er die aufkeimende Rave-Kultur mit dem Zugpferd Ecstasy viele Menschen aus dem Hooligan-Umfeld an. Die Droge machte sie friedlich, die Aggressionen verloren sich am Dancefloor. Aber der sportliche Stil machte sich in den Clubs breit. 

Und seit geraumer Zeit ziert die Windrose von Stone Island auch Ärmel der urbanen Mittelschicht-Kids. Und die haben Geld für teure Eintrittskarten.