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Was bringt die digitale Schule?

Die Corona-Krise war ein Turbo für die Digitalisierung der Schule. Manche gehen so weit, dass sie eine Schule ohne Bücher propagieren. Doch sollten Kinder und Jugendliche auch zukünftig mit digitalen Medien lernen, oder ist es besser, zum Altgewohnten zurückzukehren? Ist die Digitalisierung eine Chance oder ein Risiko? Und: Ist eine Schule ohne Bücher überhaupt erstrebenswert?

Martin Bauer, im Bildungsministerium für Digitalisierung zuständig, hat darauf eine klare Antwort: „Ein moderner Unterricht im 21. Jahrhundert ist ohne digitale Begleitmusik kaum denkbar.“ Die Bundesregierung hat bereits vor der Pandemie Schritte gesetzt und einen 8-Punkte-Plan zur Digitalisierung der Schulen vorgestellt. Dieser beinhaltet unter anderem ein Investment von rund 250 Millionen Euro, um alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 mit digitalen Endgeräten auszustatten.

Der Vorteil liegt für Bauer auf der Hand: „Digitaler Unterricht ermöglicht einen schülerzentrierten Unterricht, denn er versetzt Lehrpersonen in die Lage, die Schwächen der Kinder besser auszugleichen und ihre Stärken zu fördern.“ Die „Geräteinitiative“ wurde von den Schulen positiv aufgenommen: 93 Prozent aller AHS-Schulen haben einen Bedarf angemeldet, 96 Prozent aller Mittelschulen und 71 Prozent der Allgemeinen Sonderschulen. Gleichzeitig wird es erstmals seit mehr als 20 Jahren ein neues Unterrichtsfach geben: „Digitale Grundbildung wird von der 5. bis 8. Schulstufe eine Wochenstunde unterrichtet. Für diese Extrastunden fallen keine weiteren Stunden weg“, sagt Bauer.

Nicht immer besser

Die Offensive ist ein Schritt in die richtige Richtung, findet Maximilian Schulyok, Geschäftsführer vom Österreichischen Bundesverlag, dennoch ist der Prozess für ihn noch nicht zu Ende gedacht: „Wir stehen erst am Beginn der digitalen Transformation. Dass unsere Schulen endlich zeitgemäße Technologie brauchen, ist klar. Allerdings wird Bildung durch neue Technologien nicht zwangsläufig besser und wertvoller.“ Die Technologie sei kein Selbstzweck, sondern ein wohlüberlegtes Mittel zum Zweck. „Ein Notebook oder Tablet ohne passende Inhalte ist für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler nicht mehr wert, als ein Buch mit leeren Seiten“, so Schulyok weiter. Ähnlich sieht das Bildungswissenschaftler Klaus Zierer: „Ein guter Unterricht kann von digitalen Medien profitieren, ein schlechter wird dadurch nicht besser, sondern leidet eher darunter.“

Ein gewisses Risiko bergen digitale Medien im Unterricht. Daher ist es wichtig, dass Lehrpersonen das didaktische Handwerkszeug erhalten. Während der Pandemie haben sich immerhin mehr als 40.000 Lehrpersonen im Bereich Digitalisierung alleine mit dem vom Bildungsministerium angebotenen MOOC-Kursen fortgebildet – ein Drittel aller Lehrkräfte. Und für diejenigen, die das neue Fach Digitale Grundbildung unterrichten werden, gibt es ab Herbst eine Zusatzausbildung an den Pädagogischen Hochschulen.

In allen Fächern

Die Digitalisierung wird bald alle Fächer durchdringen. Ab Herbst werden Schulbücher erstmals rein digital angeboten, die Kombination von klassischem Schulbuch und digitalen Inhalten wird es weiter geben. Bauer sieht den Vorteil digitaler Medien in ihrer Flexibilität: „Sie können schneller auf aktuelle Entwicklungen eingehen, und sind weniger statisch als ein herkömmliches Schulbuch, weil z.B. interaktive Übungen, Videos und Audiodateien einen Mehrwert für das Lernen bieten können.“

Übrigens: Ein Lehrplan für „Digitale Grundbildung“ existiert bereits seit 2018 – damals wurde das Fach als verbindliche Übung eingeführt. Der Plan enthält verschiedene Schwerpunkte: Zum einen Computational Thinking, „wo es nicht nur um Themen wie Programmieren geht, sondern um eine Art zu denken, etwa abstrakte Muster erkennen“, erläutert Bauer. Zudem werden praktische Anwendungen wie das Verwenden von Tabellenkalkulationsprogrammen Teil des Unterrichts sein.

Auch Medienbildung ist ein zentrales Thema: Soziale Medien, Fakenews oder Cybermobbing, sowie die Auswirkungen auf Phänomene wie Künstliche Intelligenz auf die Gesellschaft sollen besprochen werden. Diese Themen hält der Bildungswissenschaftler für essenziell, weshalb sie in der Schule zum Thema gemacht werden müssen: „Wir stellen fest, dass digitale Medien die gesamte Gesellschaft beeinflusst haben, dass sie unser Fühlen, Denken und Handeln zumindest in andere Bahnen lenken. Unsere Daten zeigen, dass wenn wir Kinder und Jugendliche unbegleitet in diese Digitalisierung hineinlaufen lassen, diese massive Probleme in Hinblick auf Vereinsamung mit sich bringt.“

Die Technologie löst im Bildungsbereich keine brennenden Fragen, sie ist nur ein Vehikel. Wenn Kinder allerdings in der Schule schon lernen, dieses Vehikel zu bedienen, sind sie im Leben auf der Überholspur.

Maximilian Schulyok
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Auch digitale Inhalte haben hohe Qualität

Damit ein Schulbuch ein Schulbuch sein darf, muss es vom Bildungsministerium approbiert werden. Und da ist es egal, ob es sich um ein digitales oder ein klassisches Schulbuch handelt. Diese Approbations-Prozesse sind sehr aufwendig. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Qualitätsstandards eingehalten werden. Doch die Anforderungen durch Digitalisierung an diesen Prozess steigen: All jene, die Bildungsinhalte produzieren, müssen schneller auf aktuelle Themen reagieren können – Klimakrise, Wahlen, politische Entwicklungen sind einige bekannte Beispiele. „Hier muss es möglich sein, qualitative Bildungsinhalte rasch und unkompliziert anzubieten, damit sie als Teil des Unterrichts verwendet werden können“, sagt Maximilian Schulyok, Geschäftsführer des Österreichischen Bundesverlags.

Kinder im Mittelpunkt

„Seit 250 Jahren leisten wir inhaltliche Beiträge zur Weiterentwicklung der Bildung in Österreich. Unser Ziel ist ein Schulwesen, in dem Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt stehen – in Schulen, die als attraktive Lernumgebungen offene Orte der Kommunikation und des Austauschs sind. Den Lehrerinnen und Lehrern kommt die entscheidende Rolle als Coaches zu. Sie begleiten Schülerinnen und Schüler bei multimedialer, abwechslungsreicher Projektarbeit, unter freier Nutzung aller zeitgemäßen digitalen Instrumente und Lösungen.“

Kooperationen

Um das bestmöglich umzusetzen, kooperiert der Verlag unter anderem mit EdTech- Unternehmen wie Studyly. Das Wiener Start-Up hat eine interaktive Mathematik- App entwickelt, die sich an das individuelle Leistungsniveau der Lernenden anpasst und sie so perfekt auf Schularbeiten im Angst- Fach Nummer 1 – Mathematik – vorbereitet. Leon Frischauf, Gründer von Studyly erläutert den Vorteil dieser App für alle Kinder und Jugendlichen folgendermaßen: „Durch die Individualisierung der Aufgaben werden alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen gefördert, was ein individuell angepasstes Lerntempo ermöglicht. Das führt nachweislich zu besseren Ergebnissen und ist in der Form analog gar nicht möglich.“

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#klassezwanzigzukunft – der Bildungspodcast

Seit 250 Jahren übersetzt der Österreichische Bundesverlag öbv Lehrpläne in verständliche Inhalte und unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, sich auf die Zukunft vorzubereiten und ihre Potenziale zu entfalten. Zum Jubiläum ruft der öbv 2022 zum Jahr der Bildung auf, das unter anderem mit einem Bildungspodcast gefeiert wird. öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok tauscht sich im Podcast #klassezwanzigzukunft regelmäßig mit Persönlichkeiten zum Thema Bildung und Potenzialentfaltung aus.

Zu Wort kommen neben der Bildungspsychologin Christiane Spiel, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen bis hin zu Vordenkern aus der Startup- und EdTech-Szene sowie Keynote Speaker, wie der Unternehmer Ali Mahlodji. Kurz gesagt: Es sprechen sehr viele Menschen, die etwas zur Gestaltung der Bildung beitragen können. #klassezwanzigzukunft: überall zu hören, wo es Podcasts gibt.

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