Stadtstraßen-Baustelle nach erneuter Besetzung geräumt
Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung "LobauBleibt" haben am Mittwoch gegen sieben Uhr früh die im Februar geräumte Stadtstraßen-Baustelle "Wüste" an der Hausfeldstraße in Wien-Donaustadt erneut besetzt. Lucia Steinwender, Sprecherin von LobauBleibt, berichtete gegenüber der APA von "circa 150 bis 200 Menschen", die teilnahmen, die Polizei ging von circa 100 Personen aus.
Die Blockade blieb nicht lange ohne Reaktion, im Zuge eines mehrstündigen Polizeieinsatzes wurde die Baustelle bis zum frühen Nachmittag geräumt, insgesamt 95 Personen wurden vorläufig festgenommen.
Gefordert wurde im Vorfeld des SPÖ-Landesparteitags am Samstag ein sofortiger Baustopp und der Ausbau von Radwegen und Öffis in der Donaustadt. "Wir stellen uns heute der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und der Betonpolitik der Wiener SPÖ in den Weg. Hier, auf den Baustellen der Stadtautobahn, gießt die SPÖ die Klimakrise in Beton. Dabei stellt sie erneut die Interessen von Baukonzernen und der Autolobby vor die Bedürfnisse der Menschen in der Donaustadt“, so Steinwender.
Laut Auskunft von Polizeisprecher Markus Dittrich wurden die Aktivisten vor allem wegen Identitätsfeststellungen in ein Polizei-Anhaltezentrum gebracht.
Dabei gilt folgendes Prozedere: Da eine Verwaltungsübertretung begangen worden sei, versuche die Polizei, die Identitäten festzustellen. Wenn die betreffenden Personen keinen Ausweis hätten und auch niemand bezeugen könne, um wem es sich bei der Person handle, werde eine vorläufige Festnahme ausgesprochen.
Der Polizeieinsatz an dem auch die Sondereinheit Wega beteiligt war, verlief über weite Strecken laut APA-Beobachtungen ruhig, es gab vereinzelt aber auch Vorwürfe von Polizeigewalt. Konkret ging es um Tumulte bei einem Bauzaun. Laut Dittrich hätten Aktivistinnen und Aktivisten versucht, über einen Bauzaun zu klettern, um auf das Gelände zu kommen. Hier habe es eine Festnahme wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt gegeben.
Anders schilderte aber Aktivisten-Sprecherin Steinwender die Situation beim Zaun: "Es wollte niemand über den Zaun. Es hat zwei ziemlich gewaltsame Anhaltungen gegeben. Es war ein Aktivist und eine filmende Person. Die wären gewaltsam zu Boden gebracht worden, es ist ziemlich auf sie eingeschlagen worden." Davon gebe es Videos.
Großaufgebot im Einsatz
Die Polizei war schnell mit einem Großaufgebot an Ort und Stelle und löste die Versammlung offiziell auf, die Besetzerinnen und Besetzer zeigten sich davon aber unbeeindruckt. "Wir bleiben hier", hieß es vorerst auf Social-Media-Kanälen. Gegen 9.40 Uhr begannen die Einsatzkräfte - mit Unterstützung der Sondereinheit Wega - mit der Räumung.
"Die Herausforderungen liegen heute darin, die Aktivisten, die sich angekettet oder irgendwo angeklebt haben oder irgendwo hinaufgeklettert sind, hinunterzubringen und vom Ort der Versammlung zu bringen", sagte Polizeisprecher Markus Dittrich am Vormittag zum KURIER. Die meisten befänden sich in einer Höhe, in der "besondere Sorgfalt geboten ist".
Die Aktivistinnen und Aktivisten postierten sich sowohl auf Baucontainern als auch auf sowie unter einem Lkw. "Meines Wissens nach sind die angekettet und auch verkettet unter dem Lkw. Das wird natürlich sehr fordernd sein für die Polizisten, diese Verkettungen zu lösen. Wir sind mit einem technischen Gerät vor Ort und versuchen schonend und mit gebotener Eile die Aktivisten unter dem Lkw hervorzuholen", so Dittrich.
Kein aktiver Widerstand
Aktiver Widerstand würde nicht geleistet, dementsprechend könnten die Menschen, nachdem die Verkettungen und Verklebungen gelöst wurden, weggebracht oder weggetragen werden, so Dittrich. "Unsere oberste Prämisse ist es, die Aktivisten so schonend wie möglich wegzubringen."
Gegen 11 Uhr gab es dann doch erste Berichte über Festnahmen. Laut Lena Schilling, ebenfalls Sprecherin von LobauBleibt, wäre es gegen Menschen, die aus der Kundgebung hinaus wollten, zum Einsatz von Schlagstöcken gekommen. "Das ist Gewalt, die man natürlich ablehnen muss", sagte die Aktivistin zum KURIER.
Um die Straßenbauprojekte im Nordosten Wiens wird seit Langem erbittert gestritten. So wurde der Bau der S1 mit dem Lobautunnel nach einem Klimacheck von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gestoppt, doch Wiener SPÖ und Wirtschaftskammer prüfen rechtliche Schritte, um die Schnellstraße durch den bzw. unter dem Nationalpark Donau-Auen hindurch doch noch durchzusetzen.
Mit dem Bau der Stadtstraße Aspern wurde hingegen im Frühjahr begonnen. "Der Bau der Stadtautobahn soll Fakten für die Lobau-Autobahn schaffen. Kommt die Stadtautobahn, ist auch die Lobau nicht sicher“, sagte Schilling.
Die SPÖ Wien verschweige, dass es bei dem Projekt darum gehe, Wien zum internationalen Drehkreuz für Güterverkehr zu machen, so die Kritik der Organisation. "Die SPÖ verbetoniert die Lebensqualität der Donaustädter*innen für Transitkolonnen, Logistikzentren und Industriegebiete. Im Jahr 2022 eine Autobahn zu bauen ist antisozial“, so Steinwender.
Der Polizeieinsatz hatte auch Auswirkungen auf den Öffi-Verkehr in der Gegend. Betroffen waren die Bim-Linie 26 und die Bus-Linien 85A, 95A und 97A. Diese Einschränkungen wurden mit Ende der Räumung wieder aufgehoben.
Bewegte Vorgeschichte
Bei dem wieder besetzten Areal handelt es sich um jenen Ort, wo sich einst das Protestcamp "Wüste" mit der hölzernen Pyramide, quasi das Wahrzeichen des Protests, befunden hatte. Aktivistinnen und Aktivisten hielten sich dort über Monate hinweg auf, um den Start der Bauarbeiten für die Stadtstraße zu verhindern. Am 1. Februar wurde das Camp im Zuge eines stundenlangen Polizeieinsatzes geräumt. Es gab damals 48 Festnahmen, die Pyramide wurde gleich nach der Räumung abgerissen.
Erst am Dienstag gab es Aufregung rund um die angemeldete Großdemonstration eines Bündnisses aus rund 40 Organisationen rund um den SPÖ-Landesparteitag am Samstag. Die Route musste abgeändert werden, weil die SPÖ selbst bereits vor dem Veranstaltungsort in der Messe eine Kundgebung in der Vorgartenstraße angemeldet hat. Dafür muss sie sich von den Straßengegnerinnen und -gegnern nun den Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit gefallen lassen (siehe Artikel unten).
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