Chronik/Wien

Wiener Koalitionspakt: So viel Grün steckt in Rot-Pink

Was vor wenigen Wochen bei den Sondierungen mit Punschkrapferln begann, endete am Dienstagabend im Rathaus mit einem Riesen-Punschkrapfen: Einen solchen schenkte Bürgermeister Michael Ludwig seinem neuen Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr. Der Neos-Chef  überreichte dem Stadtchef im Gegenzug rot-pinke Hosenträger. Damit war der SPÖ-Neos-Pakt endgültig besiegelt.

Zuvor hatte  die Neos-Mitgliederversammlung den  Koalitionsvertrag mit 95 Prozent der Stimmen abgesegnet, nachdem er schon am Montag mit großer Mehrheit die SP-Gremien passiert hatte.

Von einem „historischen Moment“ sprach Ludwig am Dienstag.  Doch ist das nun  tatsächlich der Beginn einer neuen Ära?  Kommt jetzt eine  Abkehr von zehn Jahren rot-grüner Politik?

 

In den sozialen Medien wird von Grün-Sympathisanten bereits moniert, dass Wien mit dem Ausscheiden der Ökos aus der Stadtregierung vor allem in Sachen Verkehrs- und Klimapolitik massiv zurückfallen werde. 

In der SPÖ setzt man  unterdessen alles daran,  diese Vorwürfe zu entkräften. Zu groß wäre ansonsten die Gefahr, junge, progressive Wähler an die Grünen zu verlieren, die  früher oder später ihre aktuelle Krise überwunden haben werden. „Wir müssen die Flanke zu den Grünen schließen“, sagt ein Genosse.

Schnell liefern

Zuständig sind dafür die beiden neu geschaffenen Ressorts von Ulli Sima und Jürgen Czernohorszky.

Sima ist  künftig für Planung und Verkehr zuständig. Sie muss dafür sorgen, dass es trotz des Ausscheidens der Grünen aus der Regierung weitere   grüne Projekte geben wird. So wird zum Beispiel die Verkehrsberuhigung der Innenstadt weiter verfolgt, bis 2022 soll das Projekt umgesetzt sein. Ebenso ein viel größerer Brocken: Die Parkpickerl-Reform.

„Es ist wichtig, dass wir im Bereich Verkehr schnell Erfolge vorzeigen können“, sagt der SP-Funktionär.

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Sima sei die Richtige, um diese zu liefern – wegen ihrer Erfahrung und ihrer Durchsetzungskraft, wie es aus SP-Kreisen heißt. Insofern sei es auch keineswegs als Degradierung zu sehen, dass ihr die Kontrolle über die Stadtwerke samt Wiener Linien  abgenommen wurde.

Keine Polarisierung Von ihr wird SPÖ-intern auch erwartet, dass sie weniger polarisierend agiert als ihre grünen Vorgängerinnen Hebein und Maria Vassilakou.

Klimaschutz als Fokus

Aus ähnlichen Überlegungen hat die SPÖ das Umwelt- und Klimaressort neu aufgestellt und personell besetzt. Während man im Wahlkampf noch sehr stark mit klassischen  SPÖ-Themen wie Arbeit, Bildung und Sozialem agierte, will man die kommenden Jahre massiv auf den Klimaschutz setzen.

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Damit will man auch auf diesem Feld den Grünen das Wasser abgraben und jüngere Wählerschichten ansprechen.  Gerade für Letzteres habe man mit Jürgen Czernohorszky auch die richtige Persönlichkeit an der Spitze des Ressorts, ist man in der SPÖ überzeugt.

Das Pikante daran: Der SP-Stadtrat soll ein Programm umsetzen, das mit dem  Klimabudget stark die Handschrift der Neos trägt. Ein sehr ambitioniertes Programm –  so als ob auch die Neos die besseren  Grünen sein möchten. „Klimaschutz ist keine Frage der Parteifarbe, sondern der Vernunft“, sagt Wiederkehr dazu.

Bezirk versus Rathaus

Für so manch grünes Projekt könnte es trotz der Stoßrichtung von Rot-Pink dennoch schwierig werden. Mehrere Bezirksgrüne haben  im Wahlkampf mit aufwendigen Visualisierungen für Begegnungszonen  geworben. Wohl in der Hoffnung, mit Hebein weiterhin eine Verbündete dafür in der Stadtregierung sitzen zu haben.

Zum Beispiel Martin Fabisch: Der designierte grüne Vorsteher des  8. Bezirks will einen Teil der Josefstädter Straße in eine Begegnungszone umbauen.

Die Kosten von drei Millionen  Euro kann der Bezirk aber nur mit Zuschüssen aus dem Rathaus stemmen. Begegnungszonen, der Inbegriff einer (im parteipolitischen Sinn) grünen Verkehrspolitik, sind im Koalitionspapier aber nicht gut  angeschrieben. Fabisch muss bangen, ob  Sima sein Projekt finanzieren wird.

Noch geringer sind die Chancen, dass die Gumpendorfer Straße zur Begegnungszone wird – auch deshalb, weil die SPÖ den 6. Bezirk halten konnte. Und anstatt den Parkplatz beim Naschmarkt der grünen Vision entsprechend in einen Park umzubauen, wird Sima dort wohl ihre bepflanzte Markthalle umsetzen.

Abzuwarten bleibt, wie man mit Projekten umgeht, für die sich Hebein persönlich starkgemacht hat: Kurz vor der Wahl bewarb sie Pläne, auf der Praterstraße stadtauswärts auf eine der beiden Autospuren zu verzichten.

Fix abgesagt ist die grüne Forderung nach einem Gratis-Öffi-Ticket für ein Jahr. Trostpflaster für Ökos und  Besorgte in den sozialen Medien:  Am Preis von 365 Euro pro Jahreskarte hält Rot-Pink fest.