Wiener Grüne stehen (noch) zur Koalition im Bund
Lediglich leises Knirschen ist (im Unterschied zum Krachen zwischen Grünen und ÖVP im Bund) zwischen der mächtigen Wiener Landesorganisation der Grünen und der Bundespartei zu vernehmen. Die Wiener Grünen scheinen Türkis-Grün (noch) nicht aufgeben zu wollen. Das ist durchaus überraschend – gelten die Wiener Grünen (und ihre Wähler) doch als traditionell links und ÖVP-kritisch.
Am weitesten haben sich zwei Gemeinderäte auf Facebook aus dem Fenster gelehnt. „Liebe grüne Regierungsmitglieder und Abgeordnete. Wir sind doch nicht in der Regierung, um […] in Österreich geborene Kinder abzuschieben. Wehrt euch bitte“, richtete Mandatar Martin Margulies seinen Kollegen in einem Posting aus.
Und Viktoria Spielmann – eine der wenigen, die nach der Nationalratswahl am grünen Bundeskongress offen gegen Türkis-Grün gestimmt haben – schrieb: „Es war von Anfang an klar, dass Grüne und ÖVP bei den Themen Asyl und humanitäres Bleiberecht meilenweit voneinander entfernt sind. Das lässt sich nicht auflösen und es gibt nix zu beschönigen.“
Prominentere Vertreter der Wiener Grünen schossen sich am Freitag lieber auf die ÖVP und Innenminister Karl Nehammer ein als auf ihre eigene Bundesspitze. Offensichtlich will man den Türkisen nicht den Gefallen tun, sich durch interne Streitereien weiter zu schwächen.
Nächster "Sündenfall"
Entsprechend nachsichtig mit der Bundespartei gibt sich etwa David Ellensohn, Klubchef im Rathaus: „Die Abschiebungen sind nach Moria der nächste Sündenfall der Volkspartei“, sagt er im KURIER-Gespräch. Aber: „Wenn die Grünen jetzt davonlaufen, hilft das keinem Kind etwas.“
Man sei eine Partei der Menschenrechte, die darauf achte, dass keine „schlechten Gesetze“ beschlossen werden – wie etwa jene, die die Abschiebungen möglich machten.
Ob die Grünen in der Causa alles richtig gemacht haben? „Wir haben noch Überzeugungsarbeit zu leisten“, sagt Ellensohn. Soll wohl heißen: Nein.
Neue Mehrheiten
Markus Reiter, mächtiger Bezirkschef in der grünen Hochburg Neubau, formuliert es so: „Es ist ein Lernprozess.“
Jetzt die Koalition im Bund aufzukündigen, bringe nichts: „Wir brauchen eine stabile Regierung, um die Corona-Krise zu bewältigen.“ Sinnvoller sei es, wie beim Lichtermeer in den 90ern außerhalb des Parlaments Mehrheiten zu suchen und Druck zu machen.
„Die Grünen können das nicht alleine lösen“, sagt Reiter. Aber: Man werde in der Sache mit der ÖVP „weiter in Konfrontation gehen“.
Dass der grüne Kurs nach hinten losgehen kann, hat für so manche Grüne das Ergebnis bei der Wien-Wahl gezeigt: Ohne Moria wären mehr als 14,8 Prozent möglich gewesen, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Nach dem Rauswurf aus der Rathaus-Koalition scheint aber zu gelten: Besser in irgendeiner als in keiner Koalition.