Polizeirazzia im Rotlicht: Intime Einblicke in das Gewerbe
"Aufmachen, Polizei", schreit Wolfgang Langer und hämmert laut gegen die Tür des Rotlicht-Lokals bei der Triesterstraße in Wien-Favoriten. "Open, here is the police!"
Doch vorerst öffnet niemand.
"Wir werden die Feuerwehr rufen müssen. Oder die WEGA, damit jemand die Tür aufmacht", erklärt der Leiter des Wiener Prostitutionsreferats.
Plötzlich biegen drei Prostituierte mit Sackerln in der Hand um die Ecke. Es wird nicht die erste Überraschung des Tages sein.
"Das Lokal wird zugesperrt, bitte holen Sie Ihre Sachen", erklärt Langer den drei Frauen in freundlichem, aber bestimmtem Ton.
Das Problem an der ganzen Sache ist: Das Studio sollte längst geschlossen sein. Wegen zahlreicher Verstöße gegen die Auflagen, wurden dem Betreiber von sieben Lokalen zahlreiche Strafen aufgebrummt, die er aber nicht zahlt.
In der Szene ist es derzeit üblich, ein Lokal nach einigen Strafen weiterzugeben. "Dann kommen Cousins oder Nichten und alle sind wieder Ersttäter mit geringeren Geldbußen", berichtet ein Ermittler. Die handelnden Personen aber bleiben meist die gleichen. 110 von 368 Wiener Rotlicht-Lokalen haben im Vorjahr den Besitzer gewechselt. Also fast jedes Dritte.
Es ist ein offenes Geheimnis in Polizeikreisen, dass das Prostitutionsgesetz nicht mehr überall perfekt greift. "In der Leopoldstadt gab es ein Lokal, bei dem wurde eine Prostituierte angekettet, einem weiteren minderjährigen Mädchen wurden Brandwunden zugefügt", berichtet ein Beamter. Doch deswegen kann kein Studion zugesperrt werden. Nur wenn zum Beispiel ein Feuerlöscher nicht gewartet wird, kann man das Lokal behördlich schließen.
Überraschende Festnahme
Zu den Problemen will Langer lieber nicht Stellung nehmen, aber er meint, dass auch die Hygiene und die Zustände immer schlechter werden: "Schimmel an der Wänden gibt es, und immer häufiger sind es Bruchbuden, wir werden deshalb nun verstärkt dagegen vorgehen."
Plötzlich steht der Betreiber der sieben Lokale überraschend vor ihm. "Was ist denn los mit meinem Studio?", fragt der Rumäne.
"Sie sind festgenommen, Sie haben Ihre Strafen nicht bezahlt", sagt ein Beamter lapidar. Und der Mann wird auf Waffen durchsucht.
Der Rumäne hat nichts Verbotenes dabei und scheint im Umgang mit Polizei und Gefängnis offensichtlich Erfahrung zu haben. Er wägt ab, ob er lieber 2000 Euro vor Ort bezahlt oder knapp zwei Wochen ins Gefängnis geht, um die Strafe abzusitzen.
Der Rotlicht-Zampano scheint sich für Variante zwei zu entscheiden, weshalb ein Funkwagen der Bezirkspolizei gerufen wird. Der Rumäne wird nun vom Polizeianhaltezentrum (PAZ) auf der Roßauer Lände versorgt.
Die Schere in der Szene scheint jedenfalls immer größer zu werden, meinen Insider. Gut funktionieren zwei bekannte Sauna-Clubs, das eine oder andere große Laufhaus, einige erotische Massage-Salons und ein bekanntes Nobel-Etablissement. Eher schlecht geht es den typischen Rotlichtbars und -studios.
Laufhäuser nehmen Kunden weg
Für 50 oder 60 Euro bekommt man im Laufhaus eine "schnelle Nummer", viele wollen nicht noch für teure Getränke zahlen. Die kleinen Studios können diese Preise auch kaum mehr unterbieten, weshalb die Gäste ausbleiben. Dadurch fehlt das Geld für die Renovierung und dort geht das Niveau weiter herunter.
Sogar eine Gesetzeslücke wird genützt: Denn Asylwerberinnen dürfen nicht arbeiten, aber sich selbstständig machen - etwa als Prostituierte. Jede 17te Sex-Arbeiterin in Wien ist bereits eine Asylwerberin. Ein neuer Höchstwert.
"Wir werden die Rotlicht-Studios in den nächsten Monaten jedenfalls sehr genau kontrollieren", sagt Langer. Selbst vor großen, bekannten Namen macht die Polizei derzeit nicht halt, auch ein großes Wiener Etablissement wurde im Dezember behördlich geschlossen.
Am Mittwoch wurden fünf der sieben Lokale des Rumänen zugesperrt. Zwei waren schon geschlossen, fünf wurden behördlich versiegelt. Der Betreiber hat nun vierzehn Tage Zeit, sich hinter Gittern ein neues Geschäftsmodell zu überlegen. "Der neue Betreiber wird sich bald bei Ihnen melden", kündigt er Langer an.
Das Betreiber-Karussell beginnt sich also schon wieder zu drehen.
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