Personalmangel und Schienenprobleme: Kritik an den Wiener Linien
Die Prüfung, die der Wiener Stadtrechnungshof im Geschäftsbereich von Öffi-Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) getätigt hat, ist derart umfangreich, dass gleich mehrere Berichte daraus hervorgegangen sind. Ursprung der Untersuchung war ein Prüfersuchen der ÖVP aus Dezember 2022.
Die Kritik des Stadtrechnungshofes (StRH) erstreckt sich dabei von der bevorstehenden Ruhestandswelle über die verlängerten Intervalle und Langsamfahrstellen bis hin zu den Zuschüssen, die die Stadt für die Wien Mobil Räder und Leihautos tätigt.
Hier die aufgeschlüsselten Kritikpunkte:
- Zuschüsse
- Personalmangel
- Langsamfahrstellen
- Zustand der Stationen
Personalmangel droht
Die Wiener Linien teilten mit, dass sie bis zum Jahr 2031 von einem zusätzlichen Personalbedarf von rund 7.000 neuen Mitarbeitenden in allen Fachbereichen ausgehen. "Bei einem Personalstand von rund 8.700 Mitarbeitenden Ende des Jahres 2022 entspräche dies rund 80 Prozent neu einzustellendem Personal", heißt es im Stadtrechnungshofbericht.
Besonders Pensionierungen würden dabei eine Rolle spielen: So hielt de StRH etwa fest, dass "die Altersgruppe der '50plus-Jährigen' zum Zeitpunkt der gegenständlichen Prüfung einen großen Anteil der Unternehmensbelegschaft darstellte". Dies führe in den kommenden zehn Jahren aufgrund von Pensionsabgängen zu einem hohen Arbeitskräftebedarf, heißt es im Bericht weiter.
Zu viele Mitarbeiter konnten nicht gehalten werden
Daneben wurde aber auch ein erhöhter Anstieg von Austritten aus dem Unternehmen festgestellt, der sich innerhalb des Betrachtungszeitraumes (2017-2023) mehr als verdoppelt habe. Auffallend sei dabei gewesen, dass der Anteil der Altersgruppen der '20- bis 29-Jährigen' und der '30- bis 39-Jährigen' an den Austritten überproportional hoch war und innerhalb des ersten Dienstjahres bzw. der ersten drei Dienstjahre erfolgt war.
Vor allem Jüngere können also offenbar schwer gehalten werden. Manche verabschieden sich gleich nach Abschluss der Ausbildung. Sie gehen unter anderem, weil sie einen neuen Job gefunden haben - oder ihnen die Arbeitszeiten nicht passen, wie Befragungen ergeben haben.
Und dennoch: Die Personal-Neuaufnahmen haben sich seit 2020 erhöht, vor allem im Bereich der Straßenbahnen. Gleichzeitig verwies der StRH aber darauf, dass sich trotz einer Zunahme der Neuaufnahmen der Personalstand mit Juni 2023 auf dem bisher niedrigsten Niveau befand. Dies war aus Sicht des StRH Wien auf die hohe Austrittsquote aus dem Unternehmen zurückzuführen. Den Wiener Linien sei es demnach "noch nicht hinreichend gelungen, die Mitarbeitenden dauerhaft zu halten". Nach Ansicht des StRH Wien ergab sich dadurch auch ein nicht zu vernachlässigender zusätzlicher Kostenfaktor.
Nichtsdestotrotz beurteilte der Stadtrechnungshof die Personalstrategie der Wiener Linien - ab dem Jahr 2019 in Kombination mit einer Zehnjahresplanung ab dem Jahr 2021 - als langfristig und vorausschauend. Für den Betrachtungszeitraum davor war dies nicht feststellbar, heißt es.
Information in den Jahresabschlüssen
Kritik gab es vom Stadtrechnungshof aber dafür, dass in den Jahresabschlüssen der Wiener Linien "keine umfassende, transparente Information bzw. Übersicht über von der öffentlichen Hand erhaltene Mittel vorlag". Empfohlen wird deshalb, des in künftigen Jahresabschlüssen darzustellen.
Lange Intervalle gerechtfertigt
Wie mehrfach berichtet, erfolgten bei den Wiener Linien ab 9. Jänner 2023 aufgrund des Personalmangels Intervalldehnungen. Bis Schulbeginn 2023 betrug die zusätzliche Wartezeit 40 Sekunden bis maximal 2,5 Minuten.
Diese längeren Intervalle kritisierte der Stadtrechnungshof nicht. Als eigentlich störend, so heißt es im Bericht, seien nämlich nur die unregelmäßige Intervalle, bedingt durch ungeplante Ausfälle und Störungen empfunden worden: „Auch wenn Personalrekrutierungs- und Ausbildungsmaßnahmen bei der Wiener Linien GmbH & Co KG zeitnah umgesetzt wurden, beanspruchten sie Zeit. Bis das Fahrpersonal umgeschult bzw. neu eingestellt und ausgebildet war, brauchte es in der Regel mehrere Monate. Daher erschien (...) die Ausdehnung der Intervalle als temporäre Maßnahme (...) gerechtfertigt, um die Auswirkungen des Personalmangels abzufedern und den Druck von der vorhandenen Belegschaft zu nehmen.“
Stationen teils in schlechtem Zustand und mangelhafte Schienen
Bei den U-Bahnen hat sich der Stadtrechnungshof dagegen die Stationen vorgenommen. Der Zustand der Bauwerke insgesamt wurde dabei mit der Schulnote 2,41 bewertet. Drei Stationen - nämlich U1 Taubstummengasse, U4 Schwedenplatz und U6 Michelbeuern - wurden dagegen deutlich schlechter bewertet: mit der Note 4. Die Betriebssicherheit bis zur nächsten Inspektion ist aus der Sicht der Prüfer nicht gegeben.
Geprüft wurden auf den U-Bahn-Linien auch die Langsamfahrstellen, also jene Abschnitte, auf denen die Fahrzeuge aufgrund des mangelhaften Zustandes der Schienen bremsen müssen. Und diese Stellen, so stellten der Stadtrechnungshof fest, sind deutlich mehr geworden. Zwischen 2017 und 2022 die Strecken auf den Linien de Straßenbahn von 49 auf 147 angestiegen. Bei den U-Bahnen von 5 auf 22. "Insgesamt erhöhte sich die Strecke der Langsamfahrstellen im Gleisnetz (...) in diesem Zeitraum um etwas mehr als 5,5 Kilometer“, so die Bilanz der Prüfer. Der Stadt-RH empfahl, die Gleiserneuerungsrate zu erhöhen - und auch das dafür vorgesehene Budget.
In einem Statement erklärten die Wiener Linien, dass viele Empfehlungen des Stadtrechnungshof bereits umgesetzt seien. Bei den Langsamfahrstellen wird etwa auf das Programm "Netzt erst Recht" verwiesen, bei dem allein 2024/2025 76 Millionen Euro in das Straßenbahn-Netz investiert werden. Die drei vom Stadtrechnungshof beanstandeten U-Bahn-Stationen seien ebenfalls bereits saniert worden. Und auch an der Attraktivierung des Fahrerdienstes werde bereits gearbeitet, um dem Personalmangel entgegenzuwirken.
Kritik kam von der Opposition
Die ÖVP sah in einer Reaktion einen "vernichtenden Befund". Eine Überalterung des Sachanlagevermögens, verschärfter Personalmangel oder auch eine Verschlechterung des Betriebsergebnisses würden zeigen, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, befanden Verkehrssprecherin Elisabeth Olischar und Finanzsprecher Manfred Juraczka. "Die Störungsanfälligkeit und die eingeschränkte Verfügbarkeit sind schon Realität, jetzt haben es die Wiener Linien amtlich", beklagte Olischar. "Beim Management der Wiener Linien, aber auch den politisch Verantwortlichen in der Wiener Stadtregierung, müssen angesichts dieses Berichts alle Alarmglocken schrillen", meinten die beiden VP-Mandatare. Die Attraktivität der Wiener Linien müsse verbessert werden, nämlich "für die Mitarbeiter, die Kunden und letztlich die Steuerzahler."
Grünen-Chefin Judith Pühringer verlangte weitere Maßnahmen, um einen neuerlichen Personalengpass zu verhindern. Nötig sei etwa die Einführung einer generellen 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ein höheres Einstiegsgehalt sowie bessere Arbeitsbedingungen. Auch Verbesserungen beim Straßenbahnnetz urgierte sie. Hier würden die Wiener Linien hinterherhinken: "Das ist angesichts übervoller Bim-Garnituren und langer Wartezeiten inakzeptabel."
Für FPÖ-Verkehrssprecher Toni Mahdalik sind die Wiener Linien längst zu einem "Sinnbild für das Versagen der rot-pinken Stadtregierung" geworden. Verspätungen, kaputte Infrastruktur, veraltete Garnituren und "viel zu lange Intervalle" seien nicht nur ein Ärgernis für die Fahrgäste, sondern ein massiver Rückschritt für die Mobilität in unserer Stadt", hielt er in einer Aussendung fest.