Hausdurchsuchungen bei Sellner waren laut Gericht rechtswidrig
Von Birgit Seiser
Es waren Geldspenden des Christchurch-Attentäters, die im März 2019 Ausgangspunkt für Hausdurchsuchungen in Martin Sellners Wohnung in Wien waren. Der Chef der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) hatte schon mehrere Monate zuvor eine Spende des späteren Attentäters erhalten. Ermittelt wurde wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (Strafgesetzbuch §278b (2)). Sellner selbst hatte die Hausdurchsuchungen danach in seinem Blog publik gemacht. Rund drei Monate später leuteten erneut Ermittler bei Sellner. Auch gegen seine damalige Lebensgefährtin und jetzige Frau, Aktivistin Brittany Pettibone, wurden Ermittlungen geführt.
Rechtswidrig
Sellner legte danach Beschwerde gegen die Hausdurchsuchungen ein und bekam am Freitag Recht. Laut ersten Informationen der zuständigen Staatsanwaltschaft in Graz wurde Sellner bei gleich mehreren Beschwerden rechtgegeben. So hätte beispielsweise auch eine Kontoeinsicht nicht durchgeführt werden dürfen. Um diese Amtshandlungen durchzuführen, hätte es keinen ausreichenden Anfangsverdacht gegen den IBÖ-Chef gegeben.
Die für ihn „freudige“ Nachricht wollte Sellner am Samstagnachmittag eigentlich im Lokal „Vino“ beim Wiener Rathausplatz verkünden. Das Lokal, das Heinz-Christian Strache für seine Rücktrittspressekonferez ausgewählt hatte, erteilte Identitären-Chef Sellner jedoch Hausverbot. „Wieder einmal stehen wir im Freien, weil wir nicht reingelassen werden. Mein Büro ist die Straße“, begann Sellner seine Rede vor einigen Journalisten und vielen seiner Anhänger.
Keine Parteigründung
Vor allem die „Rufschädigungen“ durch Boulevardmedien wurden kritisiert. Rechtlich dagegen vorgehen wolle er aber nicht, wie Sellner gegenüber dem KURIER erklärt. Die negativen Schlagzeilen hätten auch zu keinem Rückgang an Mitgliedern und Unterstützern der rechtsextremen Bewegung geführt. „Jede T-Shirt-Bestellung wurde geleakt. Aber die Leute haben eher mit Trotz und Zorn darauf reagiert und das hat mich sehr gefreut“, sagt Sellner. Die neuen Rechtsentscheide würden der Bewegung jetzt eigentlich den Weg hin zu einer neuen Partei ebnen. Das strebe die IBÖ aber nicht an. „Ich denke, dass der Ibiza-Skandel ein Weckruf sein könnte für Österreichs Patrioten, dass sie merken, dass Parlamentspatrotismus unsere Heimat auf keinen Fall retten wird“, nutzte Sellner die Bühne, um sein Gedankengut zu verbreiten.
Die Hausdurchsuchungen waren nicht der erste Kontakt der IBÖ mit der Justiz. Im Grazer Straflandesgericht wurde gegen 17 Anhänger der Bewegung prozessiert. Die Angeklagten wurden alle freigesprochen vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Verhetzung.
Der Staatsanwalt war zu Beginn der Verhandlung mit den Beschuldigten hart ins Gericht gegangen. "Sie stellen sich als eine Front von Gesetzestreuen dar und begehen fortwährend Gesetzesbruch." Die Rede war auch von Sachbeschädigungen im Zuge diverser Aktionen, die vom IBÖ-Programm "Integration ist Lüge" ausgegangen waren. Dazu gehörte auch der Sturm einer Vorlesung in Klagenfurt, bei der der Rektor einen Faustschlag gegen den Bauch erhielt. Die Identiären bekamen Anfang des Jahres aber auch in zweiter Instanz Recht.
Entstehung: Die Identitären gründeten sich Anfang den neuen Jahrtausends in Frankreich. Bald gab es auch Ableger in Italien und Deutschland. In Österreich wurde die Bewegung 2012 offiziell als „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ ins Vereinsregister eingetragen.
Ideologie: In Österreich wird die Identitäre Bewegung (IB) vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestuft. Immer wieder wird der „große Austausch“ ins Zentrum der Inhalte gerückt, wonach die österreichische Bevölkerung von Zuwanderern unterwandert werde.
Vernetzung: Laut der IB gibt es in Österreich rund 45 aktive Mitglieder und angeblich mehrere hundert Unterstützer. Belegt sind diese Angaben jedoch nicht. Mit Identitären aus Frankreich, Deutschland und Italien steht man im engen Kontakt.
Schlüsselfiguren: Der Kopf der IB Österreich ist Martin Sellner. Experten schätzen ihn als die zentrale Figur der Bewegung in ganz Europa ein. Sellner ist mit einer Amerikanerin verheiratet und gilt daher auch als Sprachrohr der Neuen Rechts Europas in die USA.