Chronik/Wien

Eine "schicksalhafte" Einsatzfahrt mit tödlichem Ausgang

"Jetzt wird es gleich schwarz", dachte sich der junge Polizist, bevor der harte Aufprall kam. Das Polizeiauto war im Verteilerkreis Favoriten mit einem Jaguar kollidiert. Die Fahrzeuge schleuderten auf die Seite - und trafen eine Frau. Die 35-jährige Frau aus der Ukraine, eine Deutschlehrerin, war auf der Stelle tot.

"Schicksalhaft", nennt das Anwalt Alfred Boran. Er vertritt den jungen Polizisten, der damals am 29. August 2019 den Streifenwagen gelenkt hatte. Der Beamte war zum Zeitpunkt 21 Jahre alt. "Es vergeht kein Tag, an dem er nicht an das Opfer denkt."

Der junge Mann muss sich im Bezirksgericht Wien-Favoriten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung (auch zwei Kollegen im Auto und der Jaguar-Fahrer wurden verletzt, Anm.) verantworten.

"Nicht schuldig", sagt der Polizist.

Das sieht der Staatsanwalt anders. Er sieht gleich mehrere Verfehlungen, die schlussendlich zu dem tödlichen Unfall geführt haben sollen. So fuhr er bei Rot in den Verteilerkreis ein. Ohne Folgetonhorn. Und ohne beim Einfahren anzuhalten. Auch wenn er selbst relativiert: "Die wenigsten Einsatzfahrzeuge halten in solchen Fällen ihr Fahrzeug an. Dennoch wurde gegen die Schutznorm verstoßen."

Auf dem Weg zu einer Schlägerei

Es war gegen 16 Uhr als die Polizisten zu einer Schlägerei gerufen wurden. Zu dritt - auf der Rückbank saß ein Aspirant - machten sie sich auf den Weg. "Es war sehr viel Verkehr", erinnert sich der angeklagte Polizist. Als "mittelmäßig dringend" bezeichnet er den Einsatz. Er aktivierte das Blaulicht und betätigte das Folgetonhorn - allerdings nicht die Dauerschleife. "Wenn ich einmal drücke, wird das Signal zwei Mal wiederholt", erklärt er.

Beim Verteilerkreis schließlich war die Ampel rot. Man betätigte das Folgetonhorn - zwei Fahrzeuge hatten den Weg verstellt. Als diese den Weg frei machten, blieb man auf der Haltelinie stehen, beteuert der Polizist. "Dann habe ich noch einmal das Folgetonhorn aktiviert." Die Autos auf zwei Fahrspuren blieben stehen, auf der dritten Spur war kein Auto erkennbar. Ein fataler Irrtum.

Als die Polizisten einfuhren, krachte ein schwarzer Jaguar in ihr Auto hinein. "Ich habe ihn erst im letzten Augenblick im Augenwinkel gesehen", beteuert der Polizist. Und auch der Jaguar-Fahrer schildert: "Plötzlich war ein Auto vor mir und im nächsten Moment hat es schon gekracht."

"Da liegt jemand!"

Die Autos wurden auf die Seite geschleudert. "Da hab ich erst realisiert, dass ich gerade einen Unfall mit einem Polizeiauto gehabt hab", sagt der Jaguar-Fahrer. Als er ausstieg, sah er neben dem Polizeiwagen die Fußgängerin liegen. Der Polizist erinnert sich so: "Mein Kollege ist ausgestiegen. Plötzlich hat er geschrien: Da liegt jemand!"

Nur zwei Monate hatte der junge Mann seine Grundausbildung bei der Polizei absolviert. "Die wievielte Einsatzfahrt war denn das?", will eine Anwältin wissen. "Das kann ich Ihnen nicht sagen. In Favoriten geht das recht schnell."

Insgesamt sind drei Verhandlungstermine vorgesehen. Ein Urteil soll am 14. Oktober fallen.