Chronik/Wien

Bezirkschef: „Seit Rot-Pink regiert, sind alle Projekte gestoppt“

Eigentlich sollte Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ) gerade Zeit mit seiner Frau verbringen. Also mit seiner zukünftigen. Zatlokal wird morgen, Samstag, heiraten – und ist deshalb auf Urlaub. Dann, am Montag, brach er diesen kurzfristig ab: Der Streit mit der Stadt-SPÖ über die Verkehrsberuhigung rund um den neuen Ikea eskalierte. Seither ist er im politischen Dauereinsatz. Gute Nachricht: „Ich hab meine Frau gefragt. Sie heiratet mich trotzdem“, sagt er im KURIER-Gespräch.

KURIER: Vor wenigen Tagen waren Sie noch schwer verärgert – heute haben Sie den Ikea plötzlich selbst miteröffnet. Nur gute Miene zum bösen Spiel?

Gerhard Zatlokal: Ich habe mit dem Ikea kein Problem. Mein Ärger richtet sich gegen die Stadt. Da geht es um Zusagen, die nicht eingehalten werden, und um mangelnde Handschlagqualität. Für mich ist wichtig, dass ich gegenüber meinen Bezirksbewohnern immer mein Wort halten kann. Mir ist Glaubwürdigkeit wichtig. Ein deutscher Politiker hat einmal gesagt: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Ich bin anders: Mich interessiert, was ich gestern gesagt habe. Ich habe zwölf Jahre lang alles umgesetzt, was ich versprochen habe. Seit einem Jahr ist das anders.

Woran liegt das?

Seit die rot-pinke Stadtregierung im Amt ist, oder eigentlich seit der Wahl vor fast einem Jahr, ist alles gestoppt, was die Stadt uns vorher versprochen hat. Die Projekte, die wir fertigstellen, stammen alle noch aus der Zeit der alten Regierung.

Wird Ihr Bezirk nun nicht mehr unterstützt?

Ich höre immer wieder von Kollegen aus anderen Bezirken, dass das Geld „jetzt endlich fair verteilt werde“. Das klingt so, als wäre der 15. Bezirk früher mit Förderungen überhäuft worden. Das stimmt nicht. Wir haben für alle Förderungen immer viel geleistet. Auch mit den Verkehrsplanungen rund um das Ikea-Projekt waren wir sehr weit, wir wären bereit gewesen. Und seit einem halben Jahr steht alles still, weil wir nicht wissen, ob wir die nötigen Gelder der Stadt bekommen. Da geht es um eine Projektsumme von drei Millionen Euro.

Haben Sie die Stadt mit Ihren kritischen Aussagen und Projekten vielleicht einmal zu oft verärgert?


Mein Problem ist, dass ich kein Schauspieler und kein Taktiker bin. Ich kremple die Ärmel hoch und schau, was ich machen kann. In den vergangenen 13 Jahren ist mir 
als Bezirksvorsteher viel gelungen. Als ich übernommen habe, hatten wir ein riesiges Problem mit der Straßenprostitution,  das haben wir beendet. Seither sind immer mehr Geschäfte zum Leben erwacht, der Bezirk blüht auf. Sie müssen sich vorstellen: Bis in die 2000er hatten wir keine richtigen Kaffeehäuser im Bezirk, nur so Gifthütten. Da habe ich mich alleine gar nicht hinein getraut. Jetzt ist das anders. 

Der Stadt müsste das ja gefallen, wenn sich der Bezirk mausert.

Wir waren ein Schmuddelbezirk. Wenn ich erzählt habe, dass ich hier Bezirksvorsteher bin, haben mich die Leute bemitleidet. Heute sind wir im guten Mittelfeld. Wir sind der Bezirk mit den meisten Blocksanierungen. Diese wundersamen Barcelona-Blocks (Superblocks, Anm.), die jetzt in Favoriten bejubelt werden, gibt es bei uns schon lange. Auch Radfahrstraßen und Verkehrsberuhigung hatten wir lange vor anderen, und die Bildungsgrätzel hat sich die Stadt von uns abgeschaut. Dass wir nicht immer Gehör finden, das bin ich gewohnt. Aber jetzt ist es das erste Mal, dass ich richtig behindert werde. Das Geld geht jetzt an andere Bezirke, da muss man sich nur umsehen: Mit dem Geld, das in die Thaliastraße, die Ottakringer Straße und den Nepomuk-Berger-Platz investiert wird, reiß ich den ganzen 15. Bezirk nieder und bau ihn neu auf. 

Ludwig hat jetzt versprochen, dass bei der Verkehrsberuhigung rund um den Ikea alles auf Schiene ist. Vertrauen Sie ihm?

Ja. Ich vertraue ihm. Man kann den Willen der Bevölkerung nicht ignorieren. Mein Ärger richtet sich gegen andere – die zuständige Magistratsabteilung und die Stadträtin (gemeint ist Verkehrsstadträtin Ulli Sima, Anm.), die monatelang den Mund nicht aufbekommen. 

Sie haben angekündigt, bei der nächsten Wahl nicht wieder anzutreten. Stehen Sie noch bis zum Ende der Periode zur Verfügung? 
Nein. Aber ich zähle nicht die  Tage, bis ich zurücktrete. Ich habe noch Visionen für den Bezirk und will viel umsetzen. 

Was steht als Nächstes an?
Eines der wichtigen Projekte ist klar die Zukunft der Äußeren Mariahilfer Straße. Der Ikea ist auf Radfahrer ausgerichtet,  aber die Verkehrssituation hier ist nicht Radfahrer-freundlich. Was ich mir vorstellen kann: Die Trennung in Innere und Äußere Mariahilfer Straße muss ein Ende haben. Ich will hier einen Boulevard, mit breiteren Gehsteigen, mit mehr Grün und Bodenentsiegelung.