Chronik/Wien

Wien: Mutter und Töchter freiwillig verhungert?

Wie können drei Menschen in einer Wohnung in Wien verhungern? Diese Frage beschäftigt derzeit die Wiener Ermittler.

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Wie berichtet, wurden am Dienstag in einer Wohnung in der Werndlgasse in Wien-Floridsdorf die Leichen einer 45-jährigen Frau und deren beiden Zwillingstöchter im Alter von 18 Jahren aufgefunden. Die Ermittler des Landeskriminalamtes schließen ein Gewaltverbrechen aufgrund der Spurenlage aus. Nach einer Obduktion kann von einem Tod durch Verhungern ausgegangen werden.

Der Todeszeitpunkt wird auf Ende März oder Anfang April geschätzt. Eine erste toxikologische Untersuchung ergab keine Spuren einer Vergiftung. Detailuntersuchungen werden in den kommenden Wochen noch durchgeführt, teilte die Polizei mit.

Der Fall ist rätselhaft: Dass es sich um kein Gewaltverbrechen handelt, war rasch klar: Es gab keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen, und keine der Leichen wies Spuren äußerlichen Gewalt auf. Ebenso wenig besteht der Verdacht, dass alle drei Frauen oder aber die beiden 18-Jährigen in der Wohnung eingesperrt gewesen wären.

Psychische Erkrankung

Vieles deutete daraufhin, dass die Tragödie in der Wohnung in der Werndlgasse mit einer psychischen Erkrankung der Mutter zusammenhängen dürfte. Schon vor Jahren soll bei der Frau, die sich mehrmals ins Frauenhaus geflüchtet hatte, die Diagnose gestellt worden sein.

Ob beziehunsgweise wie das zu einem offenbar freiwilligen Verhungern auch der 18-Jährigen geführt haben könnte, blieb zunächst unbeantwortet. Die Polizei machte aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Verstorbenen und aus Rücksicht auf Angehörige keinerlei Angaben zu solchen persönlichen Details. Zudem sind auch für die Ermittler viele Fragen offen. „Nicht immer lässt sich alles restlos aufklären“, hieß es.

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Keine Lebensmittel in der Wohnung

Es sehe aber aus, „als wenn das beabsichtigt gewesen, freiwillig gemacht oder in Kauf genommen worden wäre“, sagt Polizeisprecher Patrick Maierhofer. Es sei bisher kein Motiv eruierbar und es gebe keine Abschiedsbriefe, sagte er. Die Ermittler hätten in der Wohnung auch keine Lebensmittel finden können.

Die Familie habe isoliert gelebt. „Sie hatten wenig soziale Kontakte“, auch nicht zu den Nachbarn in der großen Wohnhausanlage mit hunderten Bewohnern. Entsprechend wenige Informationen erhielt die Polizei bisher aus dem Umfeld. Die Wohnung hätten Mutter und Töchter „immer nur gemeinsam“ verlassen, sagte Maierhofer.

Jugendamt bekannt

„Es waren schüchterne Kinder, ruhige Mädchen in der Pubertät“, beschrieb Andrea Friemel von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) die Zwillinge. In der Schule seien sie als Integrationskinder geführt worden. Dabei spielte wohl eine nicht näher erläuterte „Entwicklungsverzögerung“ eine Rolle. Im Herbst 2016, nicht mehr schulpflichtig, wurden die Jugendlichen von der Schule abgemeldet.

Im Dezember 2016 kam die Familie daraufhin auch in Kontakt mit der Behörde. Ehrenamtliche Betreuer aus einem Mentorenprojekt schalteten das Jugendamt ein. Die „Abklärung der Situation“ endete im März 2017, ohne dass die MA11 ab diesem Zeitpunkt noch eine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen gesehen hätte.

Das Amt habe sich, wie in solchen Fällen üblich, als Ansprechpartner für die Zukunft angeboten.

Zwillinge nicht "hilflos"

„Es gab nichts in der Eigenwahrnehmung der Kolleginnen“, betonte Friemel. Wohl habe bei den Teenagern eine „Entwicklungsverzögerung“ vorgelegen, „die je älter die Kinder sind, immer augenscheinlicher wird“. Über eine schwerere Beeinträchtigung geistiger oder physischer Art finde sich aber nichts in den Unterlagen. Die Zwillinge dürften demnach nicht hilflos gewesen sein. „Wäre so etwas wahrgenommen worden, hätte es automatisch mehr an Unterstützung, auch finanzieller Natur, gegeben.“

Die alleinerziehende Mutter hätten „finanzielle Themen“ augenscheinlich bedrückt.

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Grundsätzlich sei festzuhalten, dass die Betreuung durch die Behörde im Frühjahr 2017 endete. Die Einschätzung des Jugendamts beziehe sich daher auf die Situation von vor zwei Jahren, betonte Friemel. Sie sei sehr bestürzt über den Tod der drei Frauen und habe keine Erklärung.

„Es ist seither nichts mehr gemeldet worden“, weder von offiziellen Stellen, noch aus dem Umfeld oder von Verwandten.

Jugendhilfe

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe ist unter der Servicenummer 01/4000/8011 von Montag bis Freitag von 8.00 bis 18.00 Uhr erreichbar. Angehörige, Nachbarn und andere Menschen, die sich um Schutzbedürftige Sorgen machen, können sich an diese Stelle wenden, rief Andrea Friemel in Erinnerung.