Chronik/Welt

WHO warnt vor weiterer Infektions-Welle in Europa

Lockerungen, Urlaubsfreuden und Fußball-EM-Euphorie hellen derzeit vielerorts die Stimmung auf. Doch Sorglosigkeit ist angesichts der hochansteckenden Coronavirus-Variante Delta nicht angebracht, wie die WHO Europa am Donnerstag hervorhob. Erstmals seit zehn Wochen steige die Zahl der Neuinfektionen wieder und ohne disziplinierte Gegenmaßnahmen drohe eine neue Pandemie-Welle, so die eindringliche Warnung der Weltgesundheitsorganisation.

Angetrieben von "Reisen, Zusammenkünften und Lockerungen der sozialen Beschränkungen" sei die Zahl der Corona-Neuinfektionen vergangene Woche in seinem Berichtsgebiet um zehn Prozent gestiegen, sagte der Regionaldirektor der WHO für Europa, Hans Kluge, in Kopenhagen. Europa drohe eine neue Pandemie-Welle, "es sei denn, wir bleiben diszipliniert".

Rekord in Russland

Während Österreich und die Türkei Lockerungen in Kraft setzten, meldete Russland erneut einen Rekord an Corona-Toten - mit 672 Opfern binnen 24 Stunden war es der dritte Tag in Folge, an dem ein neuer Höchststand verzeichnet wurde. Bisher haben nur 17,4 Millionen der 146 Millionen Menschen in Russland mindestens eine Corona-Impfdosis erhalten.

Länder wie Portugal und Großbritannien haben derzeit mit einer Zunahme der Neuinfektionen zu kämpfen. Die Entwicklung wird insbesondere auf die Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante zurückgeführt. In Österreich und Deutschland sind die Fallzahlen weiterhin tendenziell rückläufig. Sorgen bereitet jedoch in beiden Ländern die sogenannte Delta-Variante.

Impfkampagne noch unzureichend

Kluge sagte, nirgendwo in seinem Zuständigkeitsbereich, der 53 Länder und Gebiete in Europa, aber auch Zentralasien umfasst, sei die Corona-Impfkampagne so weit gediehen, dass sie den notwendigen Schutz vor der Delta-Ausbreitung biete. Der Anteil der Geimpften an der Bevölkerung liege nur bei 24 Prozent. "Das ist inakzeptabel, und es ist weit weg von der empfohlenen Abdeckung von 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung", kritisierte Kluge.

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Gefahr durch Fußball-EM

Die WHO forderte außerdem bessere Schutzmaßnahmen rund um die Fußball-Europameisterschaft. "Wir müssen viel weiter schauen als nur auf die Stadien", sagte die Notfall-Beauftragte der WHO Europa, Catherine Smallwood, in Kopenhagen. Auch die Anreise der Fans etwa in Bussen und ihre Feiern in Lokalen müssten in den Blick genommen werden. Auf die Frage, ob die EM ein "Superspreader"-Ereignis sei, antwortete Kluge, dies sei "nicht auszuschließen".

In den vergangenen Wochen wurden bereits Hunderte Corona-Infektionen unter EM-Stadionbesuchern registriert, unter anderem bei Schotten nach ihrer Rückkehr aus London und bei Finnen aus St. Petersburg. Trotz der gegenwärtig starken Ausbreitung der Delta-Variante in den beiden Städten finden das EM-Viertelfinale Schweiz gegen Spanien am Freitag in St. Petersburg und die Halbfinalspiele und das Endspiel in London statt.

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Getrübte Urlaubsfreuden

Ohnehin hat die Mobilität wegen der Sommerferien deutlich zugenommen. Am Donnerstag ging das digitale Impfzertifikat der EU offiziell an den Start, das Reisen in Pandemie-Zeiten erleichtern soll. Nach Spanien, Italien und den Niederlanden setzte auch Österreich weitere Lockerungen in Kraft. Hierzulande dürfen Diskotheken und Nachtclubs wieder öffnen und die Maskenpflicht wird eingeschränkt. In der Türkei fielen die sonntäglichen und nächtlichen Ausgangssperren weg.

Die thailändische Urlaubsregion Phuket dürfen geimpfte Touristen wieder ohne Quarantäne besuchen. Am Donnerstag landeten die ersten Urlauber auf der Hauptinsel. Im südasiatischen Bangladesch trat hingegen ein strikter Lockdown in Kraft. Die Menschen dürfen ihre Wohnungen nur noch zum Einkaufen und in Notfällen verlassen. Polizisten und Soldaten patrouillierten in fast leeren Straßen zur Überwachung der Regeln, von denen Textilfabriken, die für Ketten wie H&M and Walmart produzieren, allerdings ausgenommen sind.

In Indonesien ordnete Präsident Joko Widodo Notfall-Beschränkungen an, die von Samstag bis zum 20. Juli gelten sollen. Die mittlerweile gut 21.000 Corona-Neuinfektionen pro Tag hätten ihn "gezwungen, striktere Maßnahmen zu ergreifen", hieß es aus dem Land.