Chronik/Welt

Terror in Neuseeland: Die rassistische Welt des Attentäters

Bei dem Doppelanschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am Freitag wurden nach Angaben der Polizei 49 Menschen getötet und 42 verletzt. Der mutmaßliche Attentäter, namens Brenton Tarrant, wurde etwa eine halbe Stunde nach Beginn der Tat von der Polizei festgenommen.

Der 28-Jährige wurde am Samstag erstmals einem Richter vorgeführt. Dieser legte dem Australier in der Anhörung offiziell Mord zur Last. Weitere Anklagepunkte dürften noch folgen. Der Australier stellte keinen Antrag auf Freilassung gegen Kaution und bleibt weiter in Gewahrsam. Am 5. April soll er wieder vor Gericht erscheinen. 

Rassistische Fingergeste?

Bei seiner ersten Vorführung sorgte der mutmaßliche Attentäter mit einer versteckten Geste für Aufsehen. Das OK-Zeichen, bei dem Zeigefinger und Daumen aneinandergepresst und die restlichen Finger abgespreizt werden, gilt in einem bestimmten Kontext auch als rassistisches "White Power"-Symbol und wird auch unter weit rechts stehenden Trump-Anhängern in den USA verwendet.

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Als Gründe für seine Radikalisierung nennt er die Niederlage der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2017 sowie den Tod der elfjährigen Ebba Akerlund bei einem islamistischen Anschlag in der Stockholmer Fußgängerzone im selben Jahr.

"Purer Rassismus"

Dem Attentäter ging es nach Einschätzung des Terrorismusexperten Peter R. Neumann mehr um Identität und Rasse als um Religion.

"Die Tat beruhte auf der neurechten Verschwörungstheorie, dass westliche Länder systematisch ihre weißen, europäischen Bevölkerungen mit Nicht-Europäern, vor allem Muslimen, "austauschen" würden"", sagte Neumann der Rhein-Neckar-Zeitung. "Das ist natürlich Unsinn, ist aber in rechten und auch populistischen Kreisen eine sehr populäre These. Da hat sich nicht die Religion radikalisiert, sondern die Rechte. Das ist purer Rassismus."

Der Politikwissenschaftler vom Londoner King's College sieht eine wachsende Polarisierung von Islamophoben und Islamisten. In Deutschland sei die "offene rechtsextreme Szene" den Behörden gut bekannt. Dagegen liefen Internet-Foren, in denen auf rechte Attentäter Bezug genommen werde, "teilweise weit unter dem Radar" der Ermittler. "Mein Rat an die Behörden wäre daher, vor allem in diesem Bereich kräftig aufzurüsten und die Überwachung von islamophoben Internetforen auszuweiten."

"Ich bin ein Monster der Willenskraft"

Der Attentäter hat laut der Zeitung The Australian früher als Fitnesstrainer gearbeitet. Schon damals soll der Australier merkwürdige Kommentare von sich gegeben haben, berichtete das Blatt am Samstag unter Berufung auf Nachbarn und Online-Einträge des heute 28-Jährigen. Im Jahr 2011 habe der Mann über sich geschrieben: "Ich bin ein Monster der Willenskraft. Ich brauche nur ein Ziel."

In einem anderen Eintrag aus demselben Jahr heißt es demnach: "Ich dirigiere jeden Tag Fitness-Kurse mit mehr als 20 Leuten, die mich die ganze Zeit anschauen, mir Fragen stellen und 60 Minuten lang meine Bewegungen nachmachen. Und ich genieße das. Mein Selbstbewusstsein ist durch die Decke. Ich bin die stärkste Person der Stadt." Als Lieblingsbeschäftigungen habe er damals Videospiele und "Stripperinnen mieten" genannt.

Ehemalige Nachbarn in der Gemeinde Grafton beschrieben ihn als jemanden aus einer "schönen Familie". Er sei ein netter junger Mann gewesen. Die Mutter war dem Zeitungsbericht zufolge Englisch-Lehrerin, der Vater nahm an Triathlon-Wettbewerben teil. Die Familie selbst wollte dem Australian zufolge nicht über den Mann sprechen.

Anders Breivik als Vorbild

Das Blutbad erinnert an den Anschlag des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik in Norwegen, der im Juli 2011 insgesamt 77 Menschen kaltblütig ermordet hatte. Tatsächlich hat sich der Christchurch-Attentäter den norwegischen Massenmörder explizit zum Vorbild genommen.

"Ritter Justiziar Breivik" nennt der Angreifer von Christchurch den norwegischen Rechtsextremisten - ein Begriff, den Breivik selbst geprägt hat. In einem 74-seitigen Manifest, das er vor dem Anschlag von Christchurch bei Twitter veröffentlicht hatte, nennt der Angreifer den Norweger eine "echte Inspiration". Er habe zwar nur kurz mit Breivik Kontakt gehabt, er habe aber für seine Anschlagspläne "den Segen für meine Mission erhalten, nachdem ich dessen Mitritter kontaktiert" habe.

Belegt ist der angebliche Kontakt zwischen den beiden nicht: Breiviks Anwalt, Oystein Storrvik, sagte der Zeitung Verdens Gang, er halte dies aufgrund der strengen Kontrollen, denen Breivik im Gefängnis unterliegt, für "unwahrscheinlich".

 

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Zahlreiche Parallelen zwischen Anschlägen

Zwischen den Taten zeigen sich zahlreiche Parallelen: Kaltblütige Schüsse auf Dutzende Menschen, Opfer, die für kulturelle Vielfalt stehen, ein rassistisches Manifest und beschriftete Waffen - die Anschläge in Norwegen und in Neuseeland haben einiges gemeinsam. Breivik hatte seinerzeit einen Text von mehr als 1500 Seiten veröffentlicht. Beide Männer verglichen sich in ihren Manifesten mit Nelson Mandela. Der schwedische Terrorismusforscher Magnus Ranstorp sagte der Nachrichtenagentur AFP, beide seien narzisstisch und hätten ein überzogenes Bild von sich selbst.

Tore Björgo, Leiter des Zentrums für Extremismusforschung an der Universität Oslo, sieht als Parallele auch die Vorstellung, dass die europäische Zivilisation durch muslimische Einwanderung bedroht sei, "und dass es deshalb legitim ist, wenn Menschen das mit Gewalt zu verhindern versuchen".

Rechtsextremistisches Manifest im Internet

Im Internet kursiert ein 74-seitiges "Manifest", das der Haupttäter kurz vor der Tat veröffentlicht haben soll. Darin wird eine Tat in Christchurch angekündigt und seine rechtsextreme und fremdenfeindliche Motivation dargelegt. Das Schreiben nimmt auch auf den Massenmörder Anders Behring Breivik Bezug. Verbreitet wurde es über soziale Medien, die Polizei äußerte sich bisher nicht zur Echtheit des Dokuments - doch es gibt durchaus Anhaltspunkte für dessen Authentizität.

Der Attentäter nahm offenbar auch Bezug auf die Tat des rechtsextremen italienischen Aktivisten Luca Traini, der im Februar 2018 in Macerata auf offener Straße auf sechs Afrikaner geschossen und sie verletzt hatte. Laut italienischen Medien sei der Name Trainis auf einem der Gewehre zu lesen, mit dem der Täter geschossen hat.

Verdächtiger wollte Angriffe fortsetzen

Der Hauptverdächtige wollte nach Angaben von Premierministerin Jacinda Ardern weitere Taten begehen, als er verhaftet wurde. Er habe zwei weitere Schusswaffen im Auto gehabt und die Absicht gehabt, seine Angriffe fortzusetzen, so Ardern. Zudem wurden im Wagen des Australiers auch ein Sprengsatz sichergestellt.

Zwei weitere Verdächtige in Haft

Zwei weitere Verdächtige sind in Haft, ein dritter Festgenommener wurde freigelassen. Dabei handelte es sich nach Angaben der Behörden um eine bewaffnete Person, die nach dem Anschlag lediglich hatte helfen wolle. Zu den beiden weiteren Verdächtigen, die am Freitag festgenommen worden waren, sagte ein Polizeisprecher: "Wir ermitteln derzeit, ob eine Person oder diese Personen in den Vorfall verwickelt waren."