Die letzten Minuten im Leben von George Floyd
Das Gerichtsgebäude in der Stadt Minneapolis ist von Betonbarrieren und Stacheldraht umgeben. Die Nationalgarde des Bundesstaates Minnesota soll das Bauwerk schützen. In der umliegenden Gegend bleiben Geschäfte geschlossen, Schaufenster sind mit Brettern vernagelt. Die Vorkehrungen sollen gewaltsame Ausschreitungen verhindern.
Das Gerichtsgebäude befindet sich nur wenige Kilometer entfernt von der Kreuzung, auf der George Floyd am 25. Mai vergangenen Jahres ums Leben kam. Der 46-jährige war festgenommen worden, weil er im Verdacht stand, er habe in einem Lebensmittelgeschäft mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlen wollen. Er wurde mit Handschellen gefesselt und musste neben einem Polizeifahrzeug auf der Straße liegen. Fast neun Minuten kniete der Polizist Derek Chauvin auf seinem Hals. Das Geschehen wurde mit einer wackeligen Handy-Aufnahme festgehalten. Sie zeigt, wie Floyd darum flehte, ihn atmen lassen. Das Video sorgte weltweit für Empörung. In den USA kam es zu einer riesigen Welle von Protestkundgebungen gegen Polizeigewalt und Rassismus. Die "Black lives matter"-Bewegung gewann enorme Dynamik.
Prozessbeginn
Knapp ein Jahr nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz begann diese Woche das Hauptverfahren gegen den mittlerweile Ex-Polizisten Chauvin. Ihm wird unter anderem Mord zweiten Grades vorgeworfen, worauf im Staat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft stehen. Die Verhandlung begann am 29. März unter schweren Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt Minneapolis.
In der ersten Woche waren vor allem Zeugen geladen, die George Floyds Verhaftung beobachtet hatten. Es sollte vor allem auch eruiert werden, ob Floyd unter dem Knie von Chavin starb oder später. Die Zeugen schilderten die Momente vor Floyds Tod. Auch neue Bodycam-Aufnahmen waren zu sehen. Für einige der Anwesenden waren sie offenbar nur schwer erträglich. Zumindest ein Geschworener musste zwischenzeitlich den Raum verlassen.
Drogen
Am Donnerstag war das Narrativ aber in eine von der Verteidigung bereits erwartete Richtung gelenkt worden: Zu der Frage, ob Drogen einen Einfluss auf den Tod von Mr. Floyd hatten.
Bereits kurz vor Prozessbeginn hatte der Anwalt der Familie von Floyd, Ben Crump, dem Nachrichtensender CNN erklärt, er rechne damit, dass die Verteidiger des angeklagten Ex-Polizisten Derek Chauvin vor Gericht versuchen werden, Floyds Ansehen in Verruf zu bringen. Die Tatsache, dass Rückstände von Drogen in dessen Blut gefunden wurden, lenke jedoch nur von der eigentlichen Todesursache ab: dass Chauvin sein Knie minutenlang in Floyds Nacken gepresst habe.
"Nicht schuldig"
Chauvin hat auf nicht schuldig plädiert. Der schwerstwiegende Anklagepunkt lautet Mord zweiten Grades ohne Vorsatz, was einem Totschlag entspricht. Zudem wird Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, worauf bis zu 25 Jahre Haft stehen. Auch muss er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Der Ex-Polizist ist derzeit auf Kaution frei und muss während des Prozesses anwesend sein.
Das Gericht hatte vergangene Woche die Auswahl der Geschworenen abgeschlossen. Richter Peter Cahill geht davon aus, dass das Hauptverfahren bis zu einem Monat dauern könnte. Die Erwartungen an das Verfahren sind groß, denn Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie monatelang zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt.
Wochenlange Proteste
Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Videos haben dokumentiert, wie Polizisten den unbewaffneten Floyd zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut acht Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Die Beamten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.
Floyds auf Video festgehaltener Tod am 25. Mai 2020 hatte im ganzen Land wochenlang zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt. Viele Menschen in den USA, darunter wohl die meisten Schwarzen, hoffen daher, dass der Prozess ein Zeichen setzen wird. "Heute beginnt ein wegweisender Prozess, der ein Referendum darüber sein wird, wie weit Amerika bei den Bemühungen um Gleichheit und Gerechtigkeit für alle gekommen ist", sagte Crump.