Millionen-Streik in Frankreich legt Zugverkehr lahm
Mit einem neuen Streiktag wollen die Gewerkschaften in Frankreich am Dienstag wegen der geplanten Pensionsreform Druck auf die Regierung machen. Der Protest solle "Frankreich zum Stillstand bringen", heißt es in verschiedenen Aufrufen. In mehreren Städten sind wieder Kundgebungen geplant. Zudem wurde der Bahnverkehr weitgehend lahmgelegt. An Schulen, im Energiebereich und bei der Müllabfuhr ruht die Arbeit. Auch sämtliche Raffinerien wurden blockiert.
Die französische Bahn meldete einen Ausfall von etwa 80 Prozent ihrer Fernzüge. In Paris und anderen Großstädten war der öffentliche Nahverkehr massiv gestört. In zahlreichen Schulen fiel der Unterricht aus. Zwischen 20 und 30 Prozent der Flüge sollten ausfallen. Aus einigen Großstädten wurden Straßenblockaden gemeldet.
"Es werden keinerlei Produkte aus den Raffinerien ausgeliefert", sagte der CGT-Gewerkschafter Eric Sellini am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Die Stromproduktion musste heruntergefahren werden, und es kam zu Verzögerungen bei Treibstofflieferungen. Das Unternehmen TotalEnergies versicherte, dass es derzeit nicht an Treibstoff fehle, da alle Tankstellen ihre Depots gefüllt hätten.
"Wir dürfen nicht aufgeben, wir können die Regierung noch dazu bewegen, die 64 Jahre wieder aufzugeben", sagte CFDT-Gewerkschaftschef Laurent Berger dem Sender LCI. Zu den Kernpunkten der derzeit im Senat debattierten Reform zählt die Anhebung des Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre. "Es werden noch mehr Menschen auf die Straßen gehen, da bin ich sicher", sagte Berger. "Wir werden weitermachen, bis die Reform zurückgezogen wird", sagte der Chef der Gewerkschaft FO ("Force Ouvrière"), Frédéric Souillot, dem Radiosender RTL.
Landesweit sind etwa 265 Demonstrationen geplant. In Paris beginnt der Protestmarsch um 14.00 im Süden der Stadt. Bei den Kundgebungen in ganz Frankreich rechneten Gewerkschafter mit bis zu zwei Millionen Menschen. An früheren Protesttagen waren nach offiziellen Angaben bis zu 1,27 Millionen Menschen auf die Straße gegangen, die Gewerkschaften hatten von 2,5 Millionen Teilnehmern an den Demos gesprochen. Beide Seiten erwarten mit Spannung, ob die Bewegung nun zu- oder abnimmt.
Frankreichs Mitte-Regierung will außer der Anhebung des Pensionsantrittsalter die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Pension schneller steigern. Die Reform gilt als eines der zentralen Vorhaben von Präsident Emmanuel Macron.
Derzeit liegt das Pensionsantrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Pension zu haben, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Pension ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestpension will sie auf etwa 1.200 Euro hochsetzen.
Ablehnung der Reform
Macrons Regierung will die Reform bis Ende März durchs Parlament bringen. Macrons Lager hat dort zwar keine absolute Mehrheit, kann aber auf die Unterstützung zumindest von Teilen der konservativen Partei "Les Républicains" rechnen. Dennoch ist unklar, ob Macron ausreichend Zustimmung für das Prestigeprojekt seiner zweiten Amtszeit erhält, oder ob er es mit verfassungsrechtlichen Sonderrechten durchboxen muss. Seit Wochen zeigen Umfragen eine mehrheitliche Ablehnung der Reform. Die Regierung fürchtet dagegen den Kollaps des Pensionssystems.
"Ich kann verstehen, dass viele Leute nicht zwei Jahre länger arbeiten wollen", sagte Ministerpräsidentin Elisabeth Borne France 5 TV. "Aber es ist notwendig, um das System zu retten." Verkehrsminister Clement Beaune rechnete am Dienstag mit Störungen, wie es sie bei Streiks bisher nur selten gegeben hat. Für viele Reisende werde es große Schwierigkeiten geben, sagte Beaune. Sowohl bei den TGV-Verbindungen als auch bei anderen Zügen gibt es weitreichende Ausfälle, der Metro-Verkehr in Paris ist stark eingeschränkt.
Dennoch gibt es auch unter betroffenen Pendlern Verständnis: "Natürlich betrifft mich das, denn ich muss wie jeder andere zur Arbeit kommen", sagte Alex Cristea, ein Wachmann, am Pariser Bahnhof Saint-Lazare. Aber er unterstütze die Maßnahmen der Gewerkschaften trotzdem. "Was sie tun ... ist von größter Bedeutung."