Chronik/Österreich

Gewalt gegen Frauen: Die Stadt leuchtet in Orange

Blaue Flecken im Gesicht einer jungen Frau sind auf einem Foto zu sehen, dass ein Arzt  im  Unfallkrankenhauses Meidling aufnimmt. Für den Befund. Auf die Frage, wie es zur Verletzung gekommen sei, antwortet sie, dass sie sich am Küchenkasterl gestoßen habe.  

Jahrelange Gewaltspirale

Solche Aussagen hört Irene Tambornino, Medizinerin und stellvertretende ärztliche Direktorin der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, beinahe täglich. Oft seien die Frauen  jahrelanger Gewalt ausgesetzt.  Darüber reden würden manche nie. Auch nicht, wenn Ärzte sie im Spital direkt auf ihre Verletzungen ansprechen.

„Gerade weil viele Frauen aus Scham oder Angst nicht die Wahrheit über den Hergang sagen, ist es wichtig, dass unser Personal die Anzeichen von Gewalt rechtzeitig erkennt“, erklärt Tambornino. Das Ansprechen eines Gewaltverdachts erfordere besonders viel Einfühlungsvermögen.

Umfrage zu Gewalt

Wie viele der Frauen, die  im Unfallkrankenhaus Meidling behandelt werden, Opfer sexueller oder körperlicher Gewalt waren, könne die Ärztin nicht sagen.  Eine klare Antwort liefert ein Blick auf eine Umfrage durch die Statistik Austria, die am Freitag zum Auftakt für die Sensibilisierungskampagne „16 Tage gegen Gewalt“ präsentiert wurde. 

Um darauf hinzuweisen, dass jede dritte Frau in Österreich ab 15 Jahren körperliche oder sexuelle Gewalt erleben musste, leuchteten am Donnerstag im Rahmen der UN-Kampagne „Orange the World“ in Österreich Gebäude  in Orange – um Energie zu sparen, wurde die Beleuchtung aber nach einem Tag wieder abgeschaltet. Heuer werden stattdessen markante Gebäude, wie Unis, orange beflaggt.

Für die Umfrage wurden 6.240 Frauen zwischen 18 und 74 Jahren ausgewählt, die von Oktober 2020 bis März 2021 von ihren Erfahrungen mit körperlicher oder sexueller Gewalt berichteten. Vergewaltigt wurden demnach in Österreich 282.480 Frauen. Androhungen von Gewalt mussten fast eine halbe Million Österreicherinnen erleben.  Die Statistik zeigt außerdem, dass die Aggression in mehr als einer halben Million Fälle im Rahmen der Beziehung passiert. 16,4 Prozent der Frauen haben Gewalt durch ihren Partner erlitten.

Unsaubere Befunde

„Das Problem bei häuslicher Gewalt besteht vor allem darin, dass Frauen nicht geglaubt wird. In solchen Fällen gibt es oft nur die Verletzungen  als ,Beweis‘“, sagt Andrea Brem, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser.  Die Befundaufnahme sei deshalb enorm wichtig. „Da es in diesem Bereich Defizite gibt, müssten viel mehr Ärzte darauf geschult werden“, sagt Brem. Damit Mediziner im Fall des Falles erkennen, dass die blauen Flecken nicht vom Küchenkasterl verursacht wurden.  

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