Chronik/Österreich

So reagieren Lehrer, Eltern und Schüler auf die Coronaferien

Barbara Schulenburg ist angespannt. Es ist Mittwoch, kurz vor 13 Uhr – soeben hat die Frau ihren jüngsten Sohn aus einem Kindergarten in Wien-Döbling abgeholt. Seine älteren Geschwister sind in der Volksschule im Nebengebäude.  

Wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Österreich stehen zu diesem Zeitpunkt Schulschließungen bereits im Raum – Mittwochabend um 17.30 Uhr sind sie dann Realität: Ab Montag müssen Schüler ab der 9. Schulstufe – das sind 410.000 Jugendliche über dem Pflichtschulalter – zu Hause bleiben. Die 690.000 Sechs- bis 14-Jährigen sollen dann ab Mittwoch nur noch in die Klasse kommen, wenn sie zu Hause von niemandem beaufsichtigt werden können. Selbiges gilt für rund 300.000 Kindergartenkinder.

Diese Maßnahmen hat die Bundesregierung am Mittwoch verkündet, der Etappenplan zur Eindämmung des Coronavirus sieht das so vor. Das „ultimative Ziel“ sei es, weniger soziale Kontakte zu erreichen, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach Beratungen mit den Sozialpartnern. „Das bedeutet, dass alle, die zu Hause betreut werden können, auch zu Hause betreut werden sollen“, sagt er. „Wer keine Möglichkeit dazu hat, der kann weiter seine Schüler in die Schulen bringen.“ Die Schultore bleiben nämlich trotzdem offen. Lehrer müssen in den Schulen zum Dienst antreten. 

Osterferien werden zu "Coronaferien"

Gleichzeitig betonte Kurz, dass die Großeltern nicht zur Betreuung der Schüler herangezogen werden sollen: „Kinder dürfen keinesfalls zu den Großeltern gebracht werden. Das sind die Personen, die wir schützen wollen.“ Schüler, die nicht in die Klasse kommen, können weiterhin am Unterricht teilnehmen. Zumindest für jene ab 14 Jahren ist Fernunterricht auf dem digitalem Weg geplant. Vorerst gelten die Maßnahmen bis 12. April. Aus den Osterferien werden nun also „Coronaferien“.

In der ZIB2 ließ Bildungsminister Heinz Faßmann mit einer weiteren Maßnahme aufhorchen: Die Zentralmatura wird wohl auf Juni verschoben werden. Ursprünglich hätte sie von 5. bis 13. Mai stattfinden sollen. Details dazu sollen am Donnerstag folgen. Mit der Verschiebung kommt Faßmann einem Wunsch der Schülerinnen und Schüler nach. „Wir halten es für sinnvoll anzudenken, die Matura zu verschieben“, sagte Bundesschulsprecherin Jennifer Uzodike von der Schülerunion.  

Denn wegen der Schulsperren werde es für die Maturaklassen besonders eng, das Schuljahr abzuschließen. Das ist aber die Voraussetzung dafür, um zur Matura antreten zu dürfen. „In meiner Schule etwa ist am 17. April Notenschluss für die Maturaklassen. Bis dahin stehen noch einige Schularbeiten und Prüfungen an. Das geht sich nicht aus“, sagte Uzodike.

Damit in Österreich tatsächlich alle Schulen und Kindergärten schließen können, bedurfte es im Vorfeld einiger Verhandlungen: So wurde am Mittwoch lange mit den Sozialpartnern diskutiert –  schließlich hat die Maßnahme große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Eltern. Auch eine Video-Konferenz mit den neun Landeshauptleuten und Gespräche mit den Bildungsdirektionen gab es.  
 

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Die Verhandlungen waren heikel: Wer in dieser Zeit Informationen zu den Schulschließungen erbat, der wurde zwischen den zuständigen Stellen bei den Ländern und im Bund  hin und her geschickt. Bei der Bildungsdirektion Niederösterreich mussten sich Anrufer gar mit einem Tonband begnügen.

Das Unausweichliche

In den Schulen liefen unterdessen bereits die Vorbereitungen für das Unausweichliche an: Lehrer und Direktoren arbeiteten Übungsmaterialien aus, mit denen Schülerinnen und Schüler den Lernstoff zu Hause vertiefen können. Das Ministerium bereitete parallel ein Online-Lernangebot vor. 
 

Fest steht: Die Schließungen  werden eine Herausforderung – für alle Beteiligten.

Erstens für die Lehrer: So mancher von ihnen zweifelt, dass der Stoff ohne Präsenz im Klassenzimmer gut vermittelt werden kann. Auf Online-Lehre umzustellen, sei an Schulen  viel schwieriger als an Unis, sagt etwa Herbert Weiß, Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft (FCG). „Im Gegensatz zu einer Vorlesung lebt der Schulunterricht von Interaktion.  Die kann man über Fernunterricht nicht so einfach nachbilden.“

Hinzu kommt, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler auf Online-Inhalte zugreifen können: „Einige unserer Schüler haben keinen Computer, keine eMail-Adressen“, erzählt Doris Pfingstner, Direktorin der Modularen Mittelstufe in Wien-Aspern. Sie hält zudem einen Online-Schulbetrieb in den Volksschulen und Unterstufen für unrealistisch: „In den Oberstufen ist das sicher leichter möglich.“  
 

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Zweitens für die Eltern. Evelyn Kometter, Vorsitzende des Österreichischen Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, sieht die Betreuungsfrage als die größte Hürde: „Derzeit bieten viele Unternehmen nur eine einwöchige Freistellung für die Kinderbetreuung – teilweise unbezahlt.“ Das sei in der aktuellen Situation viel zu wenig. Nun liege es an der Wirtschaft, eine Lösung anzubieten. Eine weitere offene Frage ist laut der Elternvertreterin, wer für die Kosten stornierter Schulskikurse aufkommt. 

Und bei den Schülern werden – drittens – die Maßnahmen vor allem für die Maturanten eine Herausforderung. 

Schüler wären aber wohl nicht Schüler, wenn nicht auch einige ihre Freude an den Coronaferien hätten. Wie etwa ein Mädchen aus der Döblinger Volksschule. „Mich   stört es  nicht, daheim zu bleiben“, sagt sie zu ihrem Vater. „Das ist doch wie Ferien, und wir könnten den ganzen Tag spielen.“

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