Prozess um Leiche am Tiroler Innufer: Lebenslange Haft
Ein 30-jähriger Mann aus Kufstein ist am Mittwoch am Innsbrucker Landesgericht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er soll im Juni 2021 einen 77-Jährigen am Innufer in Kufstein mit 29 Messerstichen getötet haben. Der Angeklagte gestand die Tat vor Gericht erneut, bekannte sich schuldig und bekräftigte Aussagen, wonach das Opfer ihn früher sexuell missbraucht habe. Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig.
Der Mann wird außerdem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Die Entscheidung der Geschworenen fiel einstimmig aus. Als mildernd bei der Urteilsbegründung wurde die bisherige Unbescholtenheit des 30-Jährigen bzw. sein bisheriger Lebenswandel bewertet, erklärte Richterin Gabriele Moser in ihrer Urteilsbegründung. Erschwerend kam hingegen die „Heimtücke“ der Tat hinzu.
Opfer war Nachbar der Großeltern
Er habe definitiv „ihn und nur ihn“ töten wollen, hatte der gebürtige Kufsteiner im Laufe des Prozesses angegeben. Das Mordopfer sei nämlich ein Nachbar der Großeltern in Kufstein gewesen und habe sowohl seinen Vater als auch ihn selbst früher missbraucht. Was genau vorgefallen sei, konnte bzw. wollte der Angeklagte auf Nachfrage der Richterin nicht konkretisieren. „Es waren jedenfalls schlimme Dinge“, meinte er.
Sowohl der als Zeuge einberufene Vater als auch weitere geladene Zeugen konnten im Anschluss etwaige Missbrauchshandlungen durch das Opfer nicht belegen. Es gebe lediglich Erinnerungsfragmente, bei denen das Opfer und ein Freund etwa vor seinen Augen „Hand an sich angelegt“ hätten, sagte der Vater des Angeklagten. Er sprach zudem davon, dass das Opfer mit ihm als Kind Dinge gemacht habe, die „nicht in Ordnung waren“.
Veränderte Verteidigungsgeschichte
An der Missbrauchsbehauptung des Angeklagten hatte zu Beginn des Prozesses der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer Zweifel angemeldet. Der Angeklagte habe all das schließlich erst bei der Tat-Rekonstruktion im Juli erwähnt, so der öffentliche Ankläger. Bis dahin hatte der Angeklagte mehrmals in den Einvernahmen erwähnt, dass er „mit dem Leben nicht zurechtkommt und er den Getöteten nicht kennt“.
Dass ebenjene nachträgliche Behauptung wie eine „Verteidigungsgeschichte“ wirke, räumte im Anschluss an die Ausführungen des Staatsanwaltes der Verteidiger ein. Es gebe dennoch keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte das Opfer gekannt habe, so der Verteidiger. Allein die Art der Tötung mit 29 Messerstichen weise auf eine „tief emotionale Tat hin“, strich er heraus. Mord sei, unabhängig von Opfer und Motiv, aber schlicht und einfach Mord, fügte er hinzu. Es gehe jetzt darum herauszufinden, welches „Strafmaß angemessen ist“.
Zum Tatzeitpunkt Zurechnungsfähig
Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter attestierte dem 30-Jährigen in ihrem Gutachten „Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt“. Er leide aber unter einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung“, die sich durch paranoide, schizoide und narzisstische Züge ausdrücke, führte sie vor Gericht aus. Er habe insgesamt eine „unreife Persönlichkeit“ und hänge auch zahlreichen Verschwörungstheorien an. All das führe dazu, dass seine Persönlichkeit „deliktfördernd“ und der Angeklagte somit gefährlich sei.
In ihren Schlussplädoyers blieben Staatsanwalt und Verteidiger bei ihren Auftakt-Argumentationslinien. Der Staatsanwalt gab zudem noch zu bedenken, dass vom bei der Tat zurechnungsfähigen Täter Gefahr ausgehe. Das belege auch beispielsweise die „Gefühlskälte“, mit der er vorgegangen sei, so der öffentliche Ankläger. Der Verteidiger hingegen fügte noch hinzu, dass womöglich in der „ganzen Familie nicht über die Missbrauchsthematik geredet wurde“ und damit schlicht „unter den Teppich gekehrt“ worden sei.
Der Beschuldigte hatte ursprünglich angegeben, sein Opfer zufällig ausgewählt zu haben, um ins Gefängnis zu kommen. Die Staatsanwaltschaft gab daraufhin ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag. Die Leiche des Opfers, die zahlreiche Stichwunden am Oberkörper und Halsbereich aufwies, wurde von einem Passanten entdeckt. Der Beschuldigte meinte zuerst, dass er bereits mehreren Wochen vor der Tat geplant habe, jemanden umzubringen, um inhaftiert zu werden, zumal er mit seiner Lebenssituation nicht mehr im Reinen sei. Erst später teilte der Vater dem Anwalt mit, dass sich Opfer und Täter schon länger gekannt haben sollen.