Notbremse für 80 Gemeinden im Süden Niederösterreichs
Die Realität war schneller als die Verhandler. Während noch am Nachmittag der Sondergipfel für die Ostregion die politische Agenda bestimmte, wurde die Bevölkerung mit neuen Ausreisetests konfrontiert. Ab Donnerstag sind neben der Stadt Wiener Neustadt noch die Bezirke Wiener Neustadt-Land und Neunkirchen betroffen. In diese riesige Zone im südlichen Niederösterreich fallen 80 Gemeinden, 215.000 Einwohner leben dort.
Für die Polizei, die die Ausreisetests überprüfen muss, wird das zur Herkulesaufgabe. Wobei vorerst noch nicht ganz klar ist, ob auch jene Personen, die sich innerhalb der Zone bewegen, einen negativen Antigen-Test benötigen, oder ob das nur Ausreisende betrifft.
Bereits befürchtet
Damit ist jene Situation eingetreten, die schon in der Vorwoche befürchtet worden war. Da galten die Ausreisetests nur für die Stadt Wiener Neustadt. Gleichzeitig stieg die Zahl der Neuinfektionen auch in den angrenzenden Bezirken an – bis schließlich die 7-Tages-Inzidenz von 400 überschritten war. Jetzt muss natürlich das Testangebot ausgeweitet werden.
Diese Verschärfungen haben natürlich auch die Gespräche der drei Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner (NÖ), Michael Ludwig (Wien) und Hans Peter Doskozil mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Experten im Ministerium beeinflusst, wo Corona-Maßnahmen in der Ostregion zur Diskussion stehen. Angesichts der steigenden Zahlen sind Lockerungen wohl kaum in Aussicht. Noch dazu gibt es bereits Planspiele, was passieren muss, wenn gar die Stadt Wien über eine 7-Tages-Inzidenz von 400 rutscht.
Ostgipfel
** Update 24. März, 7 Uhr ** Die APA meldet eine Einigung beim Ostgipfel, Verschärfungen im Osten sind fix. Mehr dazu hier:
Um Verschärfungen war es auch bereits im Vorfeld des „Ostgipfels“ zwischen den Landeshauptleuten und dem Minister gegangen. Das Treffen wurde notwendig, weil beim Corona-Gipfel am Montag kein Ergebnis erzielt werden konnte. Dabei ist man dem Vernehmen nach schon weitgehend einig gewesen, welche Maßnahmen etwa im Schulbereich zu setzen sind. Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) allerdings bestand auf einem zusätzlichen Ostregion-Gipfel mit Experten.
Anschober sagte beim Empfang der drei Gäste in seinem Haus, dass er sich nicht mit "Alibi-Maßnahmen" zufriedengeben wolle. Es brauche ein "Paket, das wirklich hilft, die steigenden Infektionszahlen zu bremsen".
Zu Verschärfungen ist jedenfalls Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bereit: „Wir werden in der Ostregion mit Sicherheit verschärfende Maßnahmen setzen und keine Öffnungsschritte.“ Wobei er offenließ, wie diese aussehen könnten. Von Ausreisetests für drei Bundesländer hält Ludwig aber wenig.
"Osterruhe"
Unmittelbar vor Beginn des Treffens sprach Ludwig von einer „Osterruhe“, die er sich persönlich vorstellen könne. Näheres führte er dazu nicht aus. Er wolle den Gesprächen nicht vorgreifen, aber man wolle faktenbasierte Entscheidungen „im Sinne der Bevölkerung“ treffen. „Die Gesundheit ist uns dabei das wichtigste.“
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) beharrt darauf, dass der Handel unangetastet bleiben muss. „Zusätzliche Einschränkungen bringen uns nicht weiter, weil dort praktisch keine Weiterverbreitung stattfindet.“ Eher kann sie sich Maßnahmen vorstellen wie etwa die Absonderung einer gesamten Schulklasse nach nur einem Infektionsfall oder die Verlängerung der Quarantäne auf 14 Tage.
Und Doskozil? Er hoffte am Dienstag auf einen Kompromiss, übte gleichzeitig aber auch Kritik am Ablauf der Beratungen am Montag. Dort sei man mit Dingen konfrontiert worden, über die man vorher nicht diskutieren konnte. Er habe deshalb einen neuerlichen Gipfel am Dienstag gefordert. „Ich kann nicht verantworten, dass ich bei einem Kaffeegespräch salopp zustimme.“
Die Bundesperspektive von Kanzleramt und Gesundheitsressort: Übereinstimmend sagen beide, dass sie dieselben Position vertreten, nämlich: nach Möglichkeit voll auf die Bremse treten.
Zwischen den Zeilen hört man im Kanzleramt und Gesundheitsressort Folgendes: Den Ländern wurden Möglichkeiten gegeben, regional auf die Covid-Krise zu reagieren – das müssten sie jetzt einfach tun. Dass die meisten Maßnahmen unpopulär sind, stehe außer Zweifel. Aber insbesondere im Anschober-Ressort verweist man darauf, dass in mehreren Bundesländern die Intensiv-Kapazitäten in wenigen Tagen ausgelastet sind. Und von Seiten Anschobers wird man darauf drängen, auch die Bürgermeister und Lokalpolitiker wieder an ihre Vorbildwirkung zu erinnern.
Experten uneins
Erschwert wurden die Gespräche dadurch, dass die eingeladenen Experten eine extrem große Bandbreite an Einschätzungen und Empfehlungen abgaben, wie zu vernehmen war. Sie reichten von harten umfassenden Lockdown-Maßnahmen bis hin zu kontrollieren Öffnungen etwa von Schanigärten, um "wilde" Ansammlungen zu verhindern.
Für Letzteres tritt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter ein: „Es geht vor allem um die jüngeren Menschen, die durch die Virus-Mutation stärker gefährdet sind“, sagte er vor der Sitzung dem KURIER.
Gleichzeitig betont er, dass strengere Ausgangbeschränkungen gerade bei dieser Gruppe wohl kaum etwas bewirken werden. Vielleicht sei es besser, für sie Möglichkeiten zu schaffen, dass sie einander unter geordneten Bedingungen im Freien treffen können.
Eine der zentralen Fragen, um die sich die Gespräche drehten: Wie gelingt es, schärfere Maßnahmen so der Bevölkerung zu erklären, dass sie sie noch befolgt? Einigkeit herrschte darin, dass die Regeln für alle drei Bundesländer gleich gelten müssten. Mehr noch: Es sei zu diskutieren, ob es nicht bundesweite Verschärfungen brauche.
Unklar blieb vorerst jedoch, wie diese aussehen sollen: Bis Mitternacht dauerten die Gespräche noch an.