Chronik/Österreich

Jack Unterweger: Neue Details über den mutmaßlichen Serienmörder

Prominente wie die spätere Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek forderten Ende der 80er-Jahre die Freilassung des Mörders Jack Unterweger. Als dieser 1990 ohne jegliche Auflagen, auch mithilfe eines Gefälligkeitsgutachten, entlassen wird, beginnt einer der verrücktesten Fälle in Österreichs Kriminalgeschichte. Für insgesamt 13 Frauenmorde dürfte der gebürtige Steirer verantwortlich sein, rechtskräftig verurteilt wurde er aber lediglich für einen einzigen. 
Dass der Fall nun wieder medial für Interesse sorgt, ist einem neuen Buch zu verdanken. In seinem Roman schildert erstmals Chefermittler Ernst Geiger seine Sicht der Dinge und beleuchtet kritisch die damaligen Geschehnisse, die von Prag über Wien und Lustenau bis Los Angeles spielen. Viele bekannte Namen bekommen dabei ihr Fett ab und Geiger lässt wenige Zweifel daran, dass Unterweger ein Serienmörder ist. 

Zwei Femizide, eine Anklage 

Bereits 1973 und 1974 dürfte der Steirer erstmals zwei Frauen getötet haben. Verurteilt wird er allerdings nur wegen des Mordes an Margret Schäfer, weil hier die Beweislage besser ist.  Der zweite Femizid wird niemals angeklagt und gerät in Vergessenheit. 
 
Im Gefängnis beginnt Unterweger zu schreiben und erfindet eine dramatische Biographie über seine vermeintlich schwere Kindheit in Kärnten. Der angeblich geläuterte Mann kommt nach 16 Jahren frei und soll (nicht nur) für den parteilosen Justizminister Egmont Foregger das Vorzeigebeispiel in Sachen Resozialisierung werden. 
 

Von Max Edelbacher bis Astrid Wagner

Der Frauenheld mit dem Auto-Wunschkennzeichen JACK-1 blendet viele. Der Liebling der Society gestaltet für den ORF Kindersendungen und interviewt den Leiter des Wiener Sicherheitsbüros (heute Kriminalabteilung),  Max Edelbacher über eine Serie von Morden an Prostituierten in Wien und Graz. Unterweger reist für eine Reportage über das Rotlichtmilieu nach Los Angeles, just genau in dieser Zeit werden drei Prostituierte nach dem gleichen modus operandi wie jene in Österreich getötet. 
 
Nach und nach gerät der Steirer in das Visier der Ermittlungen, damals ist eine Kooperation der Polizei über die Grenzen der Bundesländer hinweg allerdings noch eher die Ausnahme. Unterweger hat zufällig mit Beginn der Mordserie aufgehört, sein Tagebuch zu führen. Alibis hat er jedenfalls nicht oder sie brechen rasch zusammen. 
 
Als sich das Netz enger zieht, erfährt der mutmaßliche Serienmörder von seiner geplanten Verhaftung. Gemeinsam mit seiner minderjährigen Freundin Bianca flüchtet er in die USA. Dass er auch noch Kontakt zu einer Verlagssekretärin hält, wird ihm aber zum Verhängnis. Denn Chef der Sekretärin ist jener Gert Schmidt, der viele Jahre später auch die Hintergründe des Ibiza-Videos aufdecken wird. Er wertet die Anrufprotokolle seiner Mitarbeiterin aus und ruft Unterweger an. Er bietet ihm 10.000 Dollar für ein Interview. Doch er gibt Ermittler Geiger einen entsprechenden Tipp. Als Unterweger das Geld in Miami abholt, klicken die Handschellen.

Prozess wegen elffachen Mordes

Der folgende Prozess wird zum Spektakel, Demonstranten vor dem Gericht fordern abwechselnd die Freiheit oder "den Stuhl" für Unterweger. Sein Anwalt Georg Zanger und seine Freundin Astrid Wagner fordern Freisprüche. Doch Unterweger wird am Ende wegen zahlreicher Indizien und Beweisen in neun von elf Fällen schuldig gesprochen.
 
In der Nacht nach dem erstinstanzlichen Urteil überlebt Geiger einen schweren Beinahe-Verkehrsunfall, der erst 44-jährige Unterweger erhängt sich im Juni 1994 in seiner Zelle - er nutzt dafür jenen komplizierten Knoten, der auch bei den Frauenmorden angewendet wurde. Somit wird das Urteil allerdings nie rechtskräftig, denn gegen Tote werden keine (Berufungs-)Verfahren geführt. 
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Mordsmann - jetzt spricht der Chefermittler

13 Bücher und mehrere Filme (einen mit John Malkovich in der Hauptrolle) gibt es bereits - benötigt es wirklich eines 14.? Tatsächlich ist es interessant und spannend, den bizarren Fall aus Sicht des damaligen Chef-Ermittlers zu sehen, statt mit den verklärten Blicken des mutmaßlichen Täters oder eines seiner Gspusis. 

Der Roman "Mordsmann" von Ernst Geiger hat allerdings auch Schwächen. Viele Leser werden wohl durch allzu detaillierte Schilderungen aus dem verstörenden Sexualleben des mutmaßlichen Serienmörders abgeschreckt. Ob man wirklich wissen möchte, was Unterweger mit seiner Intimbehaarung anstellt oder welche sexuellen Vorlieben er im Detail hatte, muss wohl jeder selbst beantworten. Auf jeden Fall sind manche Fakten verstörend. 

Spannend ist vor allem, wie ein echter Ermittler im Spannungsfeld zwischen Medien, internen Problemen und dem Innenministerium so einen einzigartigen Fall erlebt. Allerdings stockt die Geschichte vor dem letzten Prozess plötzlich. Statt einer Story werden nun eher lieblos Protokolle, Plädoyers und Aussagen aneinander gehängt. Etwas für Liebhaber von Fakten, allerdings ohne Krimispannung à la Columbo oder Hercule Poirot. 

"Mordsmann" von Ernst Geiger, edition a, 464 Seiten, 20,95 Euro.