Chronik/Österreich

Haller: "Männer betteln, flehen, drohen und wählen die todsichere Lösung"

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Psychologe Reinhard Haller erklärt, warum es zu mehr Frauenmorden kommt als früher.

KURIER: Gibt es für den Anstieg eine Erklärung?

Haller: Das ist besorgniserregend. Frauenmorde laufen seit einigen Jahren ganz anders ab als früher. Sie geschehen nicht nicht mehr nur im Affekt während oder unmittelbar nach einem Streit sondern geplant. Man fährt jetzt Tage später zu seinem Opfer hin, und es kommt zu einer Hinrichtung aus gekränkter Rache. Früher haben sich die Täter danach selbst umgebracht. Heute sind sie beinahe Stolz. Das ist ein ganz anderer psychologischer Ablauf.

Was hat sich noch geändert?

Die Taten sind sie motivärmer, es reichen schon Kleinigkeiten, die zu einer überschießenden Reaktion führen. Denken Sie an den Vierfachmord in Kitzbühel, als eine beendete Beziehung dazu führte, dass gleich zwei Familien ausgelöscht wurden. Natürlich ist auch Liebeskummer eine schwere Depression. Dass die Auswirkungen aber immer heftiger werden, ist leider ein allgemeiner Trend.

Was ist der Grund für diesen Wandel?

Männer werden immer kränkbarer, dünnhäutiger, können das aber nicht zugeben. Sie können die Gefühle nicht ansprechen, damit kocht und wuchert die Aggression innerlich weiter. Am Schluss ist ihnen die Rache wichtiger als die eigene Freiheit.

Woher kommt diese leichtere Kränkbarkeit?

Aus dem immer stärker werdenden Narzissmus. Früher war er eine Sünde, dann eine psychische Störung. Heute wird er zum Lebensideal. Trump hat es vorgelebt, viele andere auch. Doch zum Narzissmus gehört eben auch die Kränkbarkeit, die dann zur Achillesferse wird. Männer fühlen sich schnell nicht mehr geliebt und verkraften es nicht, dass eine Frau wagt, ihre Liebe zu entziehen. Da geht es auch um Machtfragen. Alkohol bringt das Fass dann oft zum Überlaufen.

Auch weil Frauen immer autonomer werden?

Ja, und die Männer betteln und flehen, dann drohen sie. Damit stoßen sie die Frau aber natürlich immer weiter weg, was zum Teufelskreis wird. Und schließlich wählen sie die todsichere Lösung. Der Alltag liefert leider immer mehr Beispiele dafür.

 

Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Berufsgruppen. Morde an Frauen werden auch als Femizide bezeichnet. Der Begriff soll ausdrücken, dass hinter diesen Morden oft keine individuellen, sondern auch gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen.

Hilfe für Gewalt-Betroffene gibt es hier:

Frauenhelpline (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 222 555 Männernotruf: (Mo – So, 0 – 24 Uhr, kostenlos), 0800 / 246 247.