Der Offizier und der Staatsvertrag
Der Mai spielt im Leben von Alfred Nagl eine ganz besondere Rolle. Am neunten des Wonnemonates feierte der rüstige Brigadier im Ruhestand in seiner Wahlheimat Weiden am See im Burgenland den 105. Geburtstag. Nur wenige Tage darauf, am 15. Mai, machte sich der Jubilar mit seiner Frau, der Schriftstellerin Ingrid Schramm auf, um „als Botschafter des Alters“ auf Lokaltour zu gehen.
In seinem Stammlokal Sittinger in Frauenkirchen kehrt das Paar ein, um das Ende der „Corona-Sperre zu feiern“. Mit im Gepäck hat der lebenslustige Herr sein Buch „Der Olympia Nagl“.
Mit 99 Jahren hat er in der Erstauflage begonnen, sein Leben zu erzählen. Die Neuauflage ist zum 105. Geburtstag erschienen, Herausgeberin ist seine Frau.
Einer der ältesten Offiziere der Welt
Alfred Nagl wurde noch zu Lebzeiten Kaiser Franz Josephs, im Jahr 1915 geboren. Zwei Weltkriege hat der gebürtige Wiener, er ist wohl einer der ältesten Offiziere der Welt, erlebt.
Schon in der ersten Republik trat er dem Bundesheer bei. 1950 war Nagl als Sicherheitsbeauftragter beim damaligen Bundeskanzler Leopold Figl engagiert.
Grundstein für Gardemusik gelegt
Es war eine sehr heikle Aufgabe, galt es doch, einen kommunistischen Putsch zu verhindern. Kurze Zeit später, im Dienst der B-Gendarmerie, gründete der damalige Oberleutnant quasi im „Untergrund“ eine Musikkapelle: Damit war der Grundstein für die heutige Gardemusik gelegt.
An den 15. Mai vor 65 Jahren kann sich Nagl gut erinnern. An diesem Tag wurde der Staatsvertrag unterzeichnet – und er war hautnah dabei, als Figl als Außenminister den historischen Satz „Österreich ist frei“ verkündete.
Beim Staatsvertrag
Wie es dazu kam? Ein paar Tage vor dem geschichtsträchtigen Datum habe ihn der Leiter der Protokollabteilung des Bundeskanzleramtes mit einer „kleinen, aber für mich sehr wichtigen Aufgabe“ betraut.
Als Verbindungsperson, die am Eingang des Festsaals des Belvederes stand, gab Nagl nach Unterzeichnung des Staatsvertrages das Signal zum Einsatz der Musikkapellen an den Dirigenten weiter.
„Als die Musik ertönte, schwenkten Bewohner der Prinz-Eugen-Straße bei offenem Fenster Tücher. Es war ein sehr bewegendes Gefühl“, sagt der 105-Jährige.
Doppelte Feuerpylone als Idee
In seinem Leben blieb es weiter spannend. 1964 und 1976 war Nagl Zeremonienmeister bei den Olympischen Spielen in Innsbruck. Er sorgte dafür, dass das Feuer im Bergisel-Stadion nicht erlosch. Die doppelte Feuerpylone war seine Idee. Durch diesen besonderen Einsatz erwarb er sich den Namen „Olympia-Nagl“.
In seinen Erinnerungen erzählt der Jubilar, wie er Silvia Sommerlath, die spätere schwedische Königin, vor Paparazzi beschützte. Wenige Jahre später erhielt Nagl den schwedischen Nordsternorden.
Heute, Dienstag, wird ihm im Namen von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig eine Geburtstagsehrung zuteil.
20.Hochzeitstag wird gefeiert
Seit mehr als 40 Jahren ist Ingrid Schramm an Nagls Seite; am 27. Mai feiert das Paar den 20. Hochzeitstag. Seinen Optimismus geben die beiden gerne weiter, am liebsten mit einem Zitat von Oscar Wilde: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“