Der Mörder im Wald
Es ist ein sonniger Sonntagmorgen als Friedrich Felzmann, damals 66 Jahre alt, am 29. Oktober 2017 um etwa 9.20 Uhr durch die Tür seines Hofes in der kleinen Gemeinde Stiwoll in der Steiermark tritt. In der Hand hält er sein Gewehr. Felzmann steigt auf den Dachboden des Wirtschaftsgebäudes und postiert sich vor einer Wandluke. Draußen stehen zwei von Felzmanns Töchtern und drei seiner Nachbarn zusammen. Felzmann legt an, zielt und schießt.
Neun Mal drückt er insgesamt ab. Mit fünf Schüssen tötet er zwei der Nachbarn – die 55-jährige Adelheid H. und den 64-jährige Gerhard E. Die anderen Schüsse gelten einer weiteren Nachbarin, Martina Z.. Sie will davonlaufen, doch Felzmann trifft auch sie am Oberarm und verletzt sie schwer. Dann steigt er vom Dachboden herunter, setzt sich in seinen weißen Kleintransporter und rast davon.
Um etwa 9.30 Uhr geht ein Notruf bei der Polizei ein. René Kornberger, heute stv. Leiter des Landeskriminalamts Steiermark, hat Sonntagsdienst. „Tatsache war, wir haben einen Doppelmord gehabt. Deshalb wurde die Alarmfahndung ausgelöst, also die Straßenzüge in einem bestimmten Umkreis besetz. Aufgrund der eingeleiteten Fahndung erhoffte man sich, dass der Täter mit dem Fluchtfahrzeug an einem dieser Kontrollpunkte vorbeifährt und dort angehalten werden kann“, erzählt Kornberger. Doch Felzmann passiert keinen der Punkte. Kornberger fordert Verstärkung an. Binnen weniger Stunden ist der 700-Einwohner-Ort Stiwoll voll von Polizei, Cobra, Bundesheer-Soldaten und Journalisten. Nur die Einwohner haben so große Angst vor dem bewaffneten Felzmann, der im Ort ohnehin als streitlustiger Querulant verschrieen ist, dass sie sich nicht aus den Häusern trauen.
Auch KURIER-Steiermark-Reporterin Elisabeth Holzer ist damals eine der ersten Journalistinnen, die in Stiwoll eintreffen. Sie erinnert sich, wie sie die kleine Gemeinde erlebt hat.
Die Polizei sucht und sucht, doch von Felzmann gibt es keine Spur. Mit dem Hubschrauber entdecken die Beamten am nächsten Tag das Fahrzeug des Mannes in einem Waldstück, unweit von Stiwoll. Von hier aus muss Felzmann zu Fuß weitergegangen sein, glaubt Kornberger. Wie weit kann er gekommen sein?
Nachbarschaftsstreit
Und noch eine Frage steht im Raum: Was war Felzmanns Motiv? Die Beamten finden heraus, dass es einen jahrelangen Streit zwischen ihm und seinen Nachbarn gab, bei dem es um die Benutzung einer Straße ging, die über das Grundstück verläuft. Eigentlich hätte an diesem Morgen eine Aussprache zwischen der Familie Felzmann und den Nachbarn stattfinden sollen – doch dazu kam es nicht.
Die Polizei geht nicht davon aus, dass die Tat von langer Hand geplant war. Auch im Auto finden die Ermittler keinen Hinweis darauf, dass Felzmann Ausrüstung oder Proviant für einen längeren Aufenthalt im Wald mitgenommen hätte. Und dennoch: Felzmann ist bekannt dafür, die Wälder in der Umgebung gut zu kennen, sich oft Tage und Nächte lang darin aufzuhalten. Mehrere Hundertschaften der Polizei durchkämmen das Gebiet – immer mit der Angst im Hinterkopf, Felzmann könnte aus einem Hinterhalt auf die Beamten schießen. Doch nichts geschieht.
In Stiwoll ist man gänzlich anderer Meinung. „Ich hab’ das Gefühl, dass er in Rumänien oder in Polen irgendwo ist und vielleicht eines Tages zurückkommt“, sagt Josef Brettenthaler, Altbürgermeister von Stiwoll. Er ist einer der wenigen, die mit den Medien über Felzmann sprechen wollen, denn die Angst, dass der mutmaßliche Doppelmörder plötzlich wieder auftauchen könnte, liegt heute noch über dem ganzen Ort. Auch Felzmanns Bruder hat ein ähnliches Gefühl wie der Altbürgermeister. „Der ist irgendwo im Ausland und da finden sie ihn nicht. Dem geht’s gut, dem geht’s besser als uns“, sagt er. Und: „Wir haben noch immer Angst, dass er gach einmal auftaucht.“
Vergangenen Sommer lässt die Polizei alle Höhlen, die rund um Stiwoll bekannt sind, von einem Höhlenkompetenzteam durchsuchen. Die Männer steigen teilweise kilometerweit in das Dunkel hinab, überwinden Engstellen oder sprengen sich den Weg frei, doch die Suche bleibt erfolglos. Für Ermittler Kornberger ist der Fall dennoch nicht abgeschlossen. Er werde so lange weitersuchen, bis er Felzmann lebend festnehmen kann, oder dessen Tod feststellen, sagt er.
Und Felzmanns Bruder? Der möchte den Verschwundenen nie wieder sehen, Familie hin oder her. Gefragt, ob er sich vor einem Wiedersehen fürchte, antwortet er drei Jahre nach der Tat ohne nachdenken zu müssen: „Ja, was denn sonst?
Hier geht es zum Podcast rund um den Fall Friedrich Felzmann
Wenn Sie Hinweise zum Fall Felzmann haben, wenden Sie sich bitte an das LKA Steiermark unter (0)59133 6033335.
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