Chronik/Österreich

Behandlungsangebot für übergriffige Kinder fehlt

Ein mutmaßlicher Missbrauchsfall an einer Kärntner Schule erschütterte Ende Jänner Österreich: Eine 15-Jährige soll auf einer Schultoilette von einem Mitschüler vergewaltigt worden sein, während weitere Schüler das Mädchen festgehalten haben sollen. Die Tatverdächtigen sind zwischen 13 und 15 Jahre alt.

Der Vorfall wirft die Frage auf, ob die sexuellen Übergriffe zwischen Minderjährigen steigen. „Bei den unter 14-Jährigen kommt es statistisch gesehen zu keiner Steigerung, aber wir bemerken prinzipiell eine größere Nachfrage von deliktspezifischer Diagnostik und Behandlung, was die Altersgruppe der 11- bis 13-Jährigen angeht. Das betrifft sowohl den Bereich physischer, als auch jenen sexueller Gewalt“, sagt Hannes Kolar von der Kinder- und Jugendhilfe Wien.

Beim Blick in die Statistik zeigt sich, dass Vergewaltigungen durch Minderjährige in ganz Österreich prinzipiell steigen: 2012 gab es 77 Tatverdächtige unter 18 Jahren, 2021 waren es bereits 156. Für Jugendliche gibt es laut Experten ausreichend Behandlungsangebote, anders sah das bis vor Kurzem bei Tätern unter 14 Jahren aus.

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Neues Programm für Täter

„Wir konnten lange kein Behandlungsprogramm für unter 14-Jährige anbieten, da sich keine Institutionen gefunden haben, die das zahlen würden“, schildert Michael Geiger, der als Psychotherapeut für den Verein Limes in Wien arbeitet. Dieser betreut Jugendliche von 14 bis 21 Jahren, die wegen Sexualdelikten verurteilt wurden.

„Bislang konnten unsere Mitarbeiter nur Diagnostika stellen. Durch eine Kooperation mit der Stadt Wien gibt es jetzt bald ein spezielles Angebot, das sich an unter 14-Jährige richtet“, betont der Psychotherapeut. In den vergangenen sechs Monaten wurden drei Kinder unter 14 vom Verein Limes diagnostisch begutachtet. Insgesamt sind derzeit rund 40 junge Erwachsene im Programm der Einrichtung.

„In Wien sind das etwa zehn bis 15 Kinder, bei denen wir von sexueller Gewalt sprechen. Die Zahl ist statistisch gesehen zwar vernachlässigbar, aber wir müssen möglichst früh reagieren, um den Lebensverlauf der Kinder noch positiv beeinflussen zu können“, sagt der Experte.