Chronik/Österreich

Bahn: Mehr Kontrollen nach der Unfallserie

Im gesamten Jahr 2016 überfuhren Züge in Österreich laut offiziellen Zahlen insgesamt 15-mal Signale – ohne dass es zu einem einzigen Unfall kam. In den vergangenen 13 Monaten gab es bereits sieben schwere Unfälle wegen mutmaßlicher Signal-überfahrungen. 66 Verletzte, ein Todesopfer und Sachschaden in vermutlich bald zweistelliger Millionenhöhe waren die Folge. Seither stellt sich die Frage: Zufall oder Systemfehler?

In erst zwei der sieben Fälle gibt es überhaupt einen offiziellen Zwischenbericht, weshalb vorerst vor allem die Spekulationen blühen. Unklar ist bisher etwa, ob Handytelefonate eine entscheidende Rolle gespielt haben, selbst die beteiligten Staatsanwaltschaften geben sich mitunter extrem wortkarg. Doch selbst das in diesen Sachen sonst sehr zurückhaltende Verkehrsministerium schreibt in einem offiziellen Bericht von einer „signifikanten Unfallserie“.

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Nun wurde ein Zwischenergebnis über den folgenschweren Unfall im Bahnhof Wien-Meidling (im April des Vorjahres) fertiggestellt, der wochenlang für Umleitungen und Verzögerungen sorgte. Allein bei diesem Einsatz waren 230 Rettungs- und Polizeikräfte, ein Hubschrauber sowie vier Katastrophenzüge im Einsatz.

Wie sich nun herausstellt, war jener Railjet nach Villach, der von einem Verschubzug „abgeschossen“ wurde, weitaus schneller unterwegs, als bisher vermutet. Der Hochgeschwindigkeitszug fuhr mit flotten 77 km/h, als er seitlich mit 15 km/h gerammt wurde. Auf einem der Beweisfotos ist zu sehen, dass ein Signal für die Verschubfahrt eindeutig „Halt“ zeigt.

Selbst einem Jahr nach dem Unfall hat das die Untersuchungsstelle des Verkehrsministeriums (SUB) aber noch keine Ursache gefunden. Lapidar heißt es zu diesem Punkt: „Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, da eventuell weiterführende Erkenntnisse, ähnlich gelagerter Vorfälle, die Ursachenfindung beeinflussen könnten.“

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Brisant wäre es etwa, wenn die Einsparung der Zugbegleiter eine Rolle spielen würde. Diese waren früher für die Abfertigung des Zuges mitverantwortlich und beobachteten die Signale. Doch diese Begleiter wurden vor allem im Regionalverkehr eingespart, um diesen billiger zu machen. Drei Fälle (Süßenbrunn, Niklasdorf und Kritzendorf) könnten in diese Kategorie fallen.

Auffällig ist, dass nicht nur die ÖBB betroffen ist, sondern auch die Westbahn (zweimal) und vermutlich die Tauernbahn. Auch eine signifikant hohe Zahl an Verschubfahrten ist beteiligt. Die ÖBB reagieren dennoch und arbeiten derzeit an einem umfangreichen Sicherheitspaket. Ab August soll es ein verstärktes internes Kontrollsystem für die Lokführer geben. Künftig dürfte jeder Vorfall intern in Detailanalysen aufgearbeitet werden.

Außerdem soll es 2018 und 2019 eine umfangreiche Kreuzungsanalyse (der Weichen) geben. Bei einem der Unfälle soll etwa ein Bremsmagnet falsch eingesetzt gewesen sein, weil die Richtung bei einem Gleis geändert wurde. Derzeit sind laut ÖBB mehr als 1000 solcher 500-Hertz-Magneten verbaut, eine Steigerung an neuralgischen Punkten wird von Experten gefordert. Im Rahmen der Analysen sollen weitere solche „Sicherheitsbremsen“ verbaut werden.

Die ÖBB wollen das (sehr teure) europäische Sicherheitssystem ETCS in Österreich ausbauen, mit dem Züge vollautomatisch fahren.  Die Frage ist aber, ob dafür Geld vorhanden ist. Im Verkehrsministerium wird gerade in der  Oberste Eisenbahnbehörde Personal gestrichen. Dieses ist für die Überwachung der Betriebsleiter und Eisenbahnaufsichtsorgane zuständig und kontrolliert die Sicherheit etwa bei Eisenbahnübergängen. Verkehrsminister Norbert Hofer will 30 von 116 Planstellen streichen, wie SPÖ-Abgeordneten Dietmar Keck kritisiert.  Im Hofer-Büro spricht man aber nur von Umschichtungen und die Untersuchungsstelle würde sogar ausgebaut werden.