Aktenskandal: Finanzpolizei schießt sich erneut auf Stadt Linz ein
Diese Linzer Fassadenbaufirma wurde „auf frischer Tat“ ertappt. Sie beschäftigte im März/April 2014 25 kroatische Bauarbeiter auf einer Baustelle in Wien, die offiziell von einer slowakischen GmbH nach Österreich entsendet wurden. Doch die Kroaten waren weder in der Slowakei rechtmäßig angemeldet, noch waren ihnen EU-Entsendungsbestätigungen ausgestellt worden. Sie arbeiteten auf der Wiener Baustelle somit schwarz.
Die Finanzpolizei zeigte den Linzer Auftraggeber beim Magistrat Linz nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz an. Es wurden rund 100.000 Strafe gegen den Fassadenbauer beantragt. Für die Beamten war der Fall klar. „Ein Elfmeter ohne Tormann“, nennt es ein Beamter. Zwar wurde die Baufirma Mitte Dezember 2014 vom Magistrat Linz „zur Rechtfertigung aufgefordert“, doch dann passierte nichts mehr. Vier Jahre und zehn Tage nach der Anzeige stellte die Linzer Behörde das Strafverfahren wegen Verjährung ein. Sie hätte nämlich innerhalb von drei Jahren einen Strafbescheid ausstellen müssen.
Massive Häufung
„Alleine im Zeitraum Juli bis Mitte Oktober 2018 hat der Magistrat Linz 71 angezeigte Fälle wegen Verjährung eingestellt“, sagt Wilfried Lehner, Chef der österreichischen Finanzpolizei zum KURIER. „Die Häufung der Verjährungen in Linz ist bundesweit einzigartig.“
Wie der KURIER im Juni 2017 aufdeckte, hat die Strafabteilung der Stadt Linz – in den Jahren 2010 bis 2017 – zumindest 3023 Anzeigen der Finanzpolizei verjähren lassen, in 1985 Fällen hat man dabei nicht einmal einen Federstrich gemacht. Dazu muss man wissen, dass die sogenannte Verfolgungsverjährung schon nach einem Jahr eintritt. Das heißt, macht die Behörde gar nichts, ist die Anzeige nach einem Jahr ein Fall für den Papiermüll. Außerdem muss man wissen, dass die unerledigte Aktenberg etwa dem gesamten Anzeigenvolumen eines Jahres entspricht. Die "Stornierungen" von Strafen sind dabei aber noch nicht berücksichtigt.
Die Stadt Linz versprach Besserung, stellte neue Leute ein, die Leitung der Strafabteilung ist aber seit Monaten verwaist. Dabei helfen die Finanzpolizisten den Magistratsbediensteten ständig auf die Sprünge. Hören sie nach ihren Anzeigen von der Behörde nichts, dann werden automatisch Urgenzschreiben verschickt.
Allein im Vorjahr schickten die Finanzer 699 „Erinnerungsschreiben“ nach Linz, im Jahr 2016 waren es sogar rekordverdächtige 956 „Mahnschreiben“; auch 2015 musste 558-mal von der Finanzpolizei urgiert werden.
Nur Altfälle?
„Etwa 60 Prozent aller unserer Urgenzschreiben an Strafbehörden gehen nach Linz“, sagt Lehner. Dabei müssten die Linzer de facto bloß die Anzeigen der Finanz kopieren und den betroffenen Firmen zur Stellungnahme übermitteln, um eine kurzfristige Verjährung zu verhindern. Dass durch die Untätigkeit mehrere Hunderttausend Euro Strafen den Gebietskörperschaften verloren gehen, ist nur ein Problem. „Es muss für jene Unternehmen, die sich nicht an die Gesetze halten, Sanktionen geben. Ansonsten kommt es zu einer Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der redlichen Unternehmen“, sagt der Finanzpolizei-Chef. Dazu kommt, dass verurteilte Firmen für öffentliche Ausschreibungen gesperrt werden.
In Linz versteht man die Aufregung nicht. „Es handelt sich um Altfälle, die aufgrund der früheren Untätigkeit der Behörde eingestellt werden müssen“, sagt Vize-Bürgermeisterin Karin Hörzing zum KURIER. „Seit August 2017 dürften keine Verjährungen mehr auftauchen.“ Die zuständige Abteilung haben 89 Einstellungen bis Ende Oktober 2018 gezählt. Alle liegen gebliebenen Altfälle werden nun auch formal eingestellt.