Ärzte befürchten wegen Impfpflicht-Befreiungen Ansturm auf Ambulanzen
Die Ärztekammer befürchtet einen Ansturm auf die Spitalsambulanzen für Befreiungen von der Impfpflicht. Vizepräsident Harald Mayer hält die Impfpflicht-Verordnung für "so schlecht formuliert, dass jeder, der das so lesen will, lesen wird, dass jede Spitalsambulanz solche Impfbefreiungen ausstellen kann". Die Krebshilfe wiederum kritisierte, dass Krebspatienten von der Impfpflicht ausgenommen sind.
"Wenn Spezialambulanzen ihre immunsupprimierten Patienten nach Organtransplantationen oder ihre Karzinompatienten während oder kurz nach einer Chemotherapie behandeln, dann werden sie diesen Patientinnen und Patienten selbstverständlich auch ein Impfbefreiungszertifikat ausstellen", stellte Mayer im Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag klar. Der Kurienobmann der angestellten Ärzte befürchtet aber, dass viele Menschen versuchen werden, ein Befreiungs-Attest zu bekommen, weil sie nicht geimpft werden wollen. "Dafür sind wir nicht da und dafür haben wir keine Kapazitäten."
Das Gesundheitsministerium erklärte dazu laut Ö1, nur die in der Verordnung konkret aufgelisteten Ambulanzen seien dazu berechtigt, Impfbefreiungen auszustellen und das auch nur für die dortigen Patientinnen und Patienten. Laut den in einer Anlage zur Verordnung aufgelisteten Einrichtungen kommen alle Ambulanzen inländischer Krankenanstalten infrage, "insbesondere" aber solche für Immunsupprimierte, Dermatologie (etwas bei Autoimmunerkrankungen oder Allergien), Innere Medizin (z. B. Onkologie, Pneumologie), Geriatrie, Neurologie (z. B. Multiple Sklerose) und Transplantationsmedizin.
Die Krebshilfe und führende Onkologen kritisieren indessen heftig, dass Krebspatienten von der Impfpflicht ausgenommen sind. Damit seien nun genau jene Menschen ausgenommen, "die einen klaren Vorteil von der Impfung haben", zeigte sich Wolfgang Hilbe, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) in einer Aussendung verärgert. "Die Vorteile einer Corona-Impfung für Menschen mit Krebserkrankungen überwiegen das Risiko einer eventuell nicht ausreichenden Immunantwort bei immunsupprimierten Patientinnen deutlich," ergänzte der renommierte Krebs-Experte Christoph Zielinski. Und Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda berichtete: "Seit der Bekanntgabe laufen die Telefone in unseren Krebshilfe-Beratungsstellen heiß." Die drei Experten stellten klar, das weiterhin ihre gemeinsame Empfehlung gelte, wonach sich Krebs-Patienten zu ihrem eigenen Schutz gegen Corona impfen lassen sollten. Sie appellieren an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, "diese Verunsicherung auszuräumen".
Die Gesellschaft für Nephrologie (Nieren- und Bluthochdruckerkrankungen) wiederum sprach eine klare Empfehlung für eine dritte bzw. vierte Corona-Teilimpfung bei Nierentransplantierten aus. Die Impfung schütze organtransplantierte und immunsupprimierte Menschen vor einer schweren Covid-Erkrankung.
Klare Empfehlung für dritten Stich
Die Österreichische Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik (AUSTROTRANSPLANT) sprach sich am Dienstag ebenfalls deutlich für eine dritte und vierte Teilimpfung aus. "Die Ausnahme von der Impfpflicht widerspricht unseren bisherigen Empfehlungen. Organtransplantierte haben eine sehr hohe Sterblichkeit, wenn sie eine Infektion haben. Wir empfehlen daher, sich impfen zu lassen", hielt der Vorstand der Gesellschaft gegenüber der APA fest. An der Grazer Uniklinik für Innere Medizin entscheide der impfende Arzt erst, wenn nach der Impfung keine entsprechende Immunantwort eintritt, welche Medikamente als Alternative eingesetzt werden können. "Das muss aber von Fall zu Fall entschieden werden", so Rosenkranz. Bisher habe sich noch kein Transplantationspatient wegen einer Befreiung von der Impfpflicht gemeldet. "Die Transplantationspatienten sind sehr gesundheitsbewusst und wir informieren sehr engmaschig. Dennoch fürchte ich, dass es mit der neuen Verordnung doch zu Verunsicherung bei den Patienten kommen könnte", sagte der Grazer Vorstand der Uniklinik für Innere Medizin und Leiter der klinischen Abteilung für Nephrologie.
Der Fachverband der Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer warnte unterdessen vor einem Engpass in der 24-Stunden-Betreuung, weil der russische Sputnik-Impfstoff nicht anerkannt wird. Der Großteil der Betreuerinnen kommt aus Ländern, die auf Sputnik gesetzt haben, die Branchenvertretung schätzt laut "Salzburger Nachrichten" (Dienstag-Ausgabe), dass etwa 30 bis 40 Prozent der Pflegekräfte aus Rumänien mit diesem Vakzin geimpft sind. Wer zwei Mal mit Sputnik geimpft ist, benötigt zwei weitere in Österreich zugelassene Impfungen.