25 Jahre Gewaltschutzgesetz: Seit Einführung 161.600 Betretungsverbote
Seit 1. Mai 1997 ist das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie in Kraft. Es schützt Betroffene unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienstand und Beziehung zur gefährdenden Person.
Kernpunkt des Gewaltschutzgesetzes schon bei der Einführung vor 25 Jahren war die Möglichkeit von Wegweisung der gefährdenden Person und eines Rückkehr-, später Betretungsverbots für den gemeinsamen Wohnort im Fall häuslicher Gewalt.
Zadić: "Gesamtgesellschaftlicher Meilenstein"
Das österreichische Gewaltschutzgesetz sei ein „gesamtgesellschaftlicher Meilenstein“, der häusliche Gewalt „vom Tabuthema zu einer der zentralen politischen Fragen“ gemacht habe, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Freitag bei einer Veranstaltung in Wien anlässlich des 25. Jahrestags des Inkrafttretens. Gewalt im Privatbereich, meist gegen Frauen und Kinder, sei heute dadurch „keine Privatsache“ mehr, bekräftigte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).
Marina Sorgo, Vorsitzende des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren, erinnerte sich an ihre Anfänge als junge Sozialarbeiterin im Frauenhaus Mitte der 1980er-Jahre zurück. „Keine Zeitung schrieb von den vielen getöteten Frauen. Das waren damals rund 60 pro Jahr. Niemand interessierte sich für das große Leid der Kinder und für die Ohnmacht der Polizei, die meist vor Ort kaum Handlungsmöglichkeiten hatte.“ Mit dem Gewaltschutzgesetz 1997 habe Österreich als erstes Land in Europa tiefgreifende Konsequenzen im Umgang mit Gewalt gezogen, so Sorgo.
Man dürfe "nicht stehenbleiben"
Ministerin Zadić blickte auf Verbesserungen im Gewaltschutz in den vergangenen beiden Jahren zurück: Die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften, Opferschutzeinrichtungen und Polizei sei gestärkt worden, der Zugang zum Recht durch psychosoziale und juristische Prozessbegleitung verbessert - hier kündigte sie einen weiteren Ausbau an. Um „die Gewaltspirale zu durchbrechen“, sollen weiters ab Juli auch die Gerichte bei einstweiligen Verfügungen zur Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung verpflichten können.
Ein wichtiges Anliegen sei ihr eine Erhöhung der Verurteilungsquote durch bessere Beweissicherung. „Oft steht Aussage gegen Aussage.“ Alle beteiligten Ressorts hätten sich daher geeinigt, bis Jahresende ein Konzept für eine flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen vorzulegen, gab Zadić bekannt. Ziel sei, Spuren „gerichtsfest zu dokumentieren“.
Denn man dürfe „nicht stehenbleiben“: 2021 gab es um 17 Prozent mehr Betretungsverbote als im Jahr davor, berichtete die Justizministerin. Für 2020 verzeichne das Bundeskriminalamt 32 weibliche Mordopfer, davon vier Mädchen, 2021 seien es 29 weibliche Mordopfer, davon ein Mädchen.
Vor 25 Jahren sei erstmals der Grundsatz „Wer schlägt, der geht“ verankert worden, erinnerte Raab und betonte, dass mehr als die Hälfte des „Rekord-Frauenbudgets“ 2022 in den Gewaltschutz fließe. Um Frauen künftig noch besser zu erreichen und die Zivilgesellschaft weiter zu sensibilisieren, sollen die Gewaltschutzzentren einen verstärkten Außenauftritt mit neuer „Corporate Identity“ erhalten.
Mehr als 161.600 Betretungsverbote
Seit dem 1. Mai 1997 gab es mehr als 161.600 Betretungsverbote. 1997, also ganz zu Beginn, wurde 170 Mal von dieser sicherheitspolizeilichen Maßnahme Gebrauch gemacht, hieß es aus dem Innenministerium auf APA-Anfrage.
Ein Jahr später wurden bereits rund 1.090 Betretungsverbote verhängt, im Jahr 1999 waren es schon 2.070 und 2000 gab es einen weiteren Sprung auf fast 3.030. Der Anstieg setzte sich kontinuierlich fort.
Ab 2020 - bei 11.652 Betretungsverboten - sind die Daten wegen einer Änderung der Zählweise nicht mehr mit den früheren vergleichbar: Seither wird "pro Maßnahme" gezählt, d.h. jeweils eine Gefährderin oder ein Gefährder und eine gefährdete Person werden pro Maßnahme erfasst. Gibt es eine weitere gefährdete Person oder Gefährderin bzw. Gefährder, erfolgt eine weitere Maßnahme, was zu einer weiteren statistischen Fallzahl führt. Bis Ende 2019 hingegen waren ausschließlich die Gefährder registriert worden.
Heuer knapp 4.000 Betretungsverbote
Im zweiten Coronajahr 2021 erfasste das Bundeskriminalamt bereits 13.690 Maßnahmen. Heuer wurden bis 1. April 3.380 Betretungsverbote erlassen.
Die Steigerung ab Mitte der 2000er-Jahre erklären BMI-Experten nicht per se mit einem generellen Anstieg der Gewalt im privaten Bereich. Es sei vor allem auch ein Zeichen, dass die Maßnahme Akzeptanz gefunden habe. Beigetragen habe auch die Sensibilisierung für das Thema Gewalt in der Familie allgemein und dass Opfer - mehr als 90 Prozent Frauen - dadurch weniger als früher Stigmatisierung fürchten müssten.
Auch die Ausbildung der Polizisten werde in Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzstellen ständig weiterentwickelt, wird betont. Die Zahl der speziell ausgebildeten Beamtinnen und Beamten wurde auf mehr als 800 erhöht, Ziel sei ein Präventionsexperte bzw. eine -expertin auf jeder Inspektion. Eine höhere Zahl an Wegweisungen bedeute in jedem Fall die Verringerung des Dunkelfeldes.
Jemanden, von dem Gewalt ausgeht, aus der Wohnung oder dem Haus sowie der unmittelbaren Umgebung wegweisen und auch die Rückkehr verbieten, kann die Polizei, wenn - zum Beispiel nach einer Misshandlung oder Drohung - angenommen werden muss, dass die Gesundheit, die Freiheit oder gar das Leben des Opfers gefährdet ist. In einem solchen Fall wird auch sofort der Hausschlüssel abgenommen, nur dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs dürfen mitgenommen werden.
90 Prozent der Gefährder männlich
Seit Jahresbeginn hat die Polizei österreichweit im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt fast 3.700 Gefährder weggewiesen.
Seit September des Vorjahres geht mit der damit verbundenen Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots auch ein verpflichtendes sechsstündiges Training in einer der in jedem Bundesland neu geschaffenen Beratungsstellen für Gewaltprävention einher. Von September bis Ende 2021 waren rund 4.000 Personen dort vorschriftsmäßig vorstellig geworden.
Die aktuellen Länderdaten im Detail: Im Bereich der Landespolizeidirektion Wien wurden seit Jahresbeginn bis zuletzt (Stand 26. April) 1.130 Gefährder(innen) beamtshandelt, geht aus Daten des Bundeskriminalamts (BK) hervor. Mehr als 90 Prozent der Beschuldigten insgesamt in solchen Fällen sind laut BK männlich.
In Niederösterreich waren zum Erhebungszeitpunkt 623 Fälle seit Anfang des Jahres aktenkundig, gefolgt von Oberösterreich (597) und der Steiermark (375). Tirol verzeichnete 286 Gefährder, die Landespolizeidirektion Kärnten meldete 215, Salzburg 200, die burgenländische Polizei 117 und in Vorarlberg waren es 110 Personen.