Chronik/Oberösterreich

Oö. Ärztin schloss wegen Morddrohungen von Corona-Leugnern Praxis

In Zeiten, in denen Hausärzte Mangelware sind, tun diese Worte besonders weh: "Ordination bis auf Weiteres geschlossen", postete Lisa-Maria Kellermayr am Montag auf Twitter. Grund dafür sind Morddrohungen, die seit sieben Monaten – wie sie sagt – von Corona-Maßnahmengegnern und Impfgegnern bei ihr eingehen.

"Unter diesen widrigsten Bedingungen habe ich alles getan, um eine medizinische Versorgung der mir anvertrauten Patienten und Patientinnen sicherzustellen. Das hat jetzt vorerst ein Ende", schreibt Kellermayr, womit Seewalchen am Attersee eine Ordination weniger hat.

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"Fesseln" und "foltern"

Um die Flut an Hass zu verdeutlichen, veröffentlichte sie dazu Auszüge aus Morddrohungen: Von "abschlachten" und "Schrotflinte" ist darin die Rede, von "niederschlagen", "fesseln", "foltern" und einer "tödlichen Impfdosis". Er werde als Patient kommen, schildert "Claas" in dem Schreiben detailliert seine geplante Vorgehensweise.

"Können wir etwas tun", fragt etwa Neos-Nationalratsabgeordnete Beate Meinl-Reisinger in den Kommentaren darunter Kellermayr. Mitgefühl und Fassungslosigkeit machen sich darin breit. Und auch die Polizei bekommt ihr Fett weg: "Liebe Polizei OÖ, was zur Hölle läuft hier bitte?", schreibt etwa eine Userin.

Drohung vom November

Bereits im November 2021 bekam die Ärztin jene Drohung, wie die Landespolizeidirektion auf KURIER-Anfrage bestätigte. Seitdem sei sowohl im Inter- als auch im Darknet ermittelt worden. Von dort an sei das Opfer intensiv betreut worden, wird versichert. Sowohl privat als auch in der Ordination hätte sie Personenschutz erhalten.

Am 6. April wurde Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Wels wegen gefährlicher Drohung erstattet, bestätigte eine Sprecherin der Anklagebehörde. Im Zuge weiterer Ermittlungen sei ein Deutscher als möglicher Täter in Verdacht geraten. Er soll im März und April gegen die Ärztin gefährliche Drohungen in sozialen Medien ausgesprochen haben, auch wegen Stalkings sei ermittelt worden. Am 14. Juni sei das Ermittlungsverfahren "mangels inländischer Gerichtsbarkeit" aber eingestellt worden, hieß es weiter von der Anklagebehörde.

Wie üblich sei laut Polizeisprecher David Furtner die Gefährdungslage neu beurteilt worden. Es bestehe keine Gefahr mehr für Frau Kellermayr, war das Resultat. Zudem bekrittelte er, dass sich die Frau immer wieder an die Öffentlichkeit wende. Es entstünde der Eindruck, als wolle sie nur Aufmerksamkeit. Im Ö1-Mittagsjournal fügte er noch hinzu, dass die Ärztin vielleicht selbst Hilfe in Anspruch nehmen sollte.

Was wiederum die Neos dazu veranlasste einen sofortigen Runden Tisch auf Landesebene einzufordern: "Geradezu unglaublich sind die Aussagen der Polizei. Hier verkennt die Polizei ihre ureigenste Aufgabe, freie Meinungsäußerung zu schützen und Drohungen zu unterbinden", so Landtagsabgeordneter Felix Eypeltauer.

"Nicht selber Schuld"

"Ich bin nicht selber Schuld. Es ist, als wie wenn man ertrinkt und niemand will einem helfen", sagt Kellermayr. Auch den Personenschutz weist sie im KURIER-Gespräch entscheidend zurück: "Meine Ordination ist zwischenzeitlich verstärkt bestreift worden. Aber wir sind weit weg davon, dass ich Personenschutz bekommen hätte", sagt sie.

Angefangen habe alles nach einem Posting von ihr zu einer Demonstration von Corona-Maßnahmengegnern beim Krankenhaus Wels, wo sie darauf hinwies, dass Personen die Rettungsausfahrt versperren würden. Die Polizei und auch das Krankenhaus hatten damals daraufhin mitgeteilt, dass die Ausfahrt zu keiner Zeit beeinträchtigt gewesen sei. "So bin ich in den Telegram-Gruppen der Corona-Leugner als Lügnerin angekommen", so Kellermayr.

100.000 Euro für Sicherheit

Für ihren und den Schutz ihrer Mitarbeiter hat Kellermayr deshalb selbst investiert. "Die Sicherheitskosten übersteigen den Gewinn einer Hausarztpraxis um ein Vielfaches. Bis heute habe ich mehr als 100.000 Euro in die Sicherheit des Ordinationsbetriebs gesteckt, um garantieren zu können, dass sich niemand der hier Hilfe sucht dadurch in Gefahr begeben muss", schreibt sie weiter auf Twitter. Auch Sicherheitspersonal hätte sie sich selbst bezahlt, wie sie im KURIER-Gespräch hinzufügt. Geraten hätte man ihr laut Polizei nicht dazu. Man brauche nun Zeit, sich ein neues Konzept zu überlegen, um "die Ordination sinnvoll und sicher" weiterführen zu können, so Kellermayr. Erst dann werde der Betrieb wieder aufgenommen.

Laut Peter Niedermoser, Präsident der oberösterreichischen Ärztekammer, sei ihm derzeit kein weiterer ähnlicher Fall in Oberösterreich bekannt. "Grundsätzlich hat sich die Situation mit Corona-Maßnahmengegnern beruhigt", so Niedermoser. Allen Ärztinnen und Ärzten, die solche Drohungen erhalten, empfiehlt er, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen.

Die österreichische Ärztekammer schließt sich dem an: "Es ist diesbezüglich momentan ein bisschen Ruhe eingekehrt", heißt es vom Leiter des Impfreferats Rudolf Schmitzberger. Dennoch gefragt seien die "Konfliktmanagement-Kurse", die die Ärztekammer anbietet. In drei Modulen lernen Ärzte als auch ihre Mitarbeiter Prävention, das richtige Verhalten, aber für den Notfall auch Selbstverteidigung. Im Herbst sollen die Kurse wieder starten.

Bis dahin geht Schmitzberger davon aus, dass Ärzte wieder häufiger mit Drohungen konfrontiert werden, denn die Corona-Infektionszahlen steigen und damit kommen auch potenzielle Maßnahmen wieder ins Gespräch. "Je restriktiver die Maßnahmen werden, umso lauter wird die Stimme der Unzufriedenen sein. Wir sollten diese durchaus ernst nehmen, aber uns nicht verunsichern lassen, weil wir machen das Richtige", so Schmitzberger.

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