St. Pöltner Autorin verewigt Familiengeschichte in Roman
Von Sophie Seeböck
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Seit 40 Jahren lebt Zdenka Becker mit ihrer Familie auf einem ehemaligen Bauernhof in Radlberg bei St. Pölten. Doch welcher Schatz sich auf dem Dachboden verbarg, entdeckte die Autorin erst, als vor wenigen Jahren ihr Schwiegervater verstarb: „Mein Mann hat kistenweise Briefe gefunden, die meine Schwiegereltern zwischen 1938 und 1945 austauschten“, erzählt die 70-Jährige. „Das Material war so porös, dass wir Angst hatten, es könnte in unseren Händen zu Staub zerfallen.“
Familienschatz konserviert
Deshalb scannte ihr Mann alle Dokumente, ließ sie zu Büchern binden und lieferte seiner Frau damit Inspiration für ihr neuestes Buch: „Als alles dann sauber und bereit zum Lesen vor mir lag, eröffnete sich ein Familiengeheimnis für mich“, erzählt die Autorin.
Die Recherche führte Becker auf den Spuren ihres Schwiegervaters nach Berlin und Mosbach/Neckarelz, wo er unterirdisch in der Bomberflugzeugmotorenfabrik arbeitete. „Wir haben viel erfahren, was uns der Schwiegervater nie erzählt hat. In den Briefen sprach er nie über seine Arbeit unter Tag, die von Krankheit geprägt war. Das hat mich total schockiert“, erzählt Becker von ihrem Besuch in Deutschland, der für das Buch ausschlaggebend gewesen sei.
Fiktive Geschichte
Auch wenn „Es ist schon fast halb 12“ auf Beckers Familiengeschichte basiert, sei es aber kein biografisches Werk: „Um den Roman spannender zu halten, aber auch um meine Schwiegereltern zu schützen, habe ich einiges dazugedichtet“, erzählt die in Tschechien geborene Slowakin.
Original aus der Feder ihres Schwiegervaters ist aber der Titel des Buches: „Er schrieb seine Briefe in der Nacht und schloss oft mit ,Ich muss jetzt Schluss machen, es ist schon fast halb 12’“, so die Autorin.
Aktueller Bezug
Für Becker auch in der heutigen Zeit eine schöne Metapher: „Wenn es schon fünf vor 12 ist, kann ich nichts mehr ändern. Um halb 12 habe ich noch Zeit. Auch wenn jetzt Neonazis und hassvolle Parteien laut werden, ist immer noch Zeit, die Gesellschaft in friedliche Gewässer zu führen“, sieht Becker unter anderem in ihrem Buch auch Parallelen zu momentanen Konflikten.
Auch wenn die Pandemie für Becker ungewohnte Zeiten brachte, kam ihr die globale „Verschnaufpause auch zugute“. Denn anders als bei früheren Schreibprojekten hatte die 70-Jährige so viel Zeit und Freiraum: „Es war ein Genuss, dieses Buch zu schreiben. Ohne Druck und Lesungen hatte ich wirklich Zeit dafür.“
Buchpremiere in St. Pölten
Erschienen ist „Es ist schon fast halb 12“ dann Ende Jänner dieses Jahres mit 256 Seiten im Amalthea Verlag. Mittlerweile stehen auch schon die ersten Lesungstermine fest.
Nach einem Termin im Literaturhaus anlässlich des internationalen Weltfrauentags kommende Woche, findet die Buchpremiere am 18. März im Karmeliterhof St. Pölten statt. Ab 18.30 Uhr wird Zdenka Becker dort „Es ist schon fast halb 12“ persönlich vorstellen. Auch im deutschen Mosbach, wo sie recherchiert hatte, wird die Autorin lesen.